Philipp Schmidt

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Philipp Schmidt

Das Rauhe Haus gilt als „Brunnenstube der Inneren Mission“ und ist die Wiedergeburtsstätte des Diakonenamtes in den Kirchen der Reformation nach über tausendjährigem Dornröschenschlaf während der Kirchengeschichte.

Von allen auf dieser Website abgebildeten Personen und von allen in den Büchern erwähnten Personen liegen mir schriftliche Einverständniserklärungen vor.

Erinnerungen des Stadtmissionars Philipp Schmidt - geboren am 17.06.1869 – gestorben am 24.07.1957

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Ein Beitrag aus dem vom Webmaster herausgegebenen Buch

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Jugendjahre

Als ich 6 Jahre alt war, besuchte ich die Volksschule in unserem Nachbarort Grebenroth. Alle Klassen wurden gleichzeitig in einem Raum von einem Lehrer unterrichtet. Mein erster Lehrer hieß Datz und soll recht tüchtig gewesen sein, war aber sehr jähzornig. Wenn er in Fahrt kam, konnte er an einem Ende anfangen und einen nach dem anderen über die Bank ziehen und verprügeln. Zum Glück hatten wir ihn nur zwei Jahre lang. Dann wurde er versetzt. Der neue Lehrer war vorher an einer städtischen Fortbildungsschule gewesen, so dass wir gut mit den Stadtschülern mithalten konnten.

In unserer Freizeit führten wir die üblichen Jugendstreiche durch: Selbst gefangene Forellen und Krebse schätzten wir als besondere Leckerbissen. Wir ärgerten den Müller, indem wir das Wehr des Wasserwerkes abstellten, und wir mussten dann schnell sein, wenn er mit seinen Hunden kam. Außerdem mussten wir uns mit dem Feldhüter herumärgern, denn der hatte auf das Obst aufzupassen.

Jeden Herbst, wenn es kalt wurde, kehrte ein alter Rheinflößer in unser Dorf ein. Er hatte sein Leben auf dem Rhein zugebracht und konnte jetzt nicht mehr arbeiten. So schlug er sich den Winter über bei den Bauern durch. Für uns Kinder waren seine Erzählungen an den Winterabenden sehr spannend. Im Frühjahr verschwand er dann wieder stillschweigend.

Ich erinnere mich auch an einen Handwerksburschen, der bei uns betteln kam und den mein Vater zur Drainierung der Wiesen einsetzte. Er war uns Kindern ein guter Kamerad, da er uns nicht nur Geschichten erzählte, sondern aus Weidensträuchern auch Flöten und Schalmeien bastelte.

Zum Konfirmationsunterricht mussten wir ins Nachbardorf. Er dauerte nur 4 Monate, von Februar bis Pfingsten. Dieser Unterricht hat mir nicht viel gegeben, da er gerade in die Zeit eines Pfarrerwechsels fiel. Zur Konfirmation ging der Förster mit uns in den Wald, und wir mussten Birkenstämme abhauen, mit denen die Kirche geschmückt wurde, so dass sie einem Birkenwald glich. Meine Konfirmation war keine große Festlichkeit. Lediglich von den Patenonkeln und –tanten erhielt ich ein Geschenk von 5 Mark.

Nun kam die Berufsfrage an mich heran. Ich wäre gerne Lehrer geworden, aber für einen Landjungen war es schwierig, auf das zuständige Seminar in Usingen zu kommen. Unterbringung und Schulgeld für das Seminar konnten meine Eltern nicht bezahlen. So musste ich bei meinen Eltern in der Landwirtschaft helfen. Von unserem Lehrer erhielten wir mit mehreren jungen Leuten abends etwas Fortbildungsunterricht. Von einem alten Kellner, der in Frankreich tätig gewesen war, lernten wir etwas Französisch. In dieser Zeit starb meine Mutter, was mir sehr nahe ging. Da mein Vater Kirchenvorsteher war, half ich dem Pastor sonntags bei der Kinderlehre. An den langen Winterabenden kamen wir auch mit den Mädchen in den üblichen Spinnstuben zusammen. Es wurden Geschichten erzählt und Volkslieder gesungen. Dazu gab es Kartoffelpuffer. Inzwischen war ich 17 Jahre alt geworden und musste daran denken, einen Beruf zu ergreifen. Vom Freundeskreis der Anstalt Scheuren bei Nassau ging eine pietistische Bewegung aus, die auch durch die sogenannten Stundenhalter in unser Dorf kam. Unter dem Einfluss unseres Pastors fasste ich den Entschluss, Missionar zu werden. Ich bewarb mich als Missionsschüler bei der Baseler Mission. Es wurde mir jedoch mitgeteilt, dass ich noch zu jung sei. Man riet mir, mit dem Eintritt bis zu meinem 20. Lebensjahr zu warten. Die Missionsgesellschaft legte Wert auf Männer, die sich bereits in einem praktischen Beruf bewährt hatten.

So ging ich dann mit meinem Vater die sieben Stunden Fußweg nach Wiesbaden, um eine Lehrstelle als Stellmacher zu suchen. Wir ließen uns in Wiesbaden von einem Diakon Kaiser beraten, der ein Freund meines Vaters war. Ich war kaum ein Vierteljahr in der Lehre, da bekam ich Anfang März die Nachricht, dass mein Vater schwer erkrankt sei und nach mir verlange. Trotz Schnee und Glatteis im März machte ich mich auf den Weg. Nach Mitternacht traf ich im elterlichen Haus ein. Als mein Vater mich sah, sagte er „endlich“, streckte sich aus - und war tot. Nun war ich 17 Jahre alt und hatte weder Vater noch Mutter.

In meiner Lehrstelle hatte ich es verhältnismäßig gut. Mit den Gesellen kam ich auch gut zurecht. Morgens um 5 Uhr stand ich auf und ging in die Werkstatt. Um 6 Uhr gab es Morgenkaffee, um 10 Uhr Frühstück, und um ½ 1 Uhr wurde zu Mittag gegessen. Nachmittags um 4 Uhr gab es noch eine Tasse Kaffe und eine Schnitte Brot. Dann wurde bis abends um 8 Uhr durchgearbeitet. Abends ging ich meistens noch etwas in die Stadt. Samstags war von 8 bis 10 Uhr Fortbildungsunterricht in Zeichnen, Rechnen und Deutsch.

Öfter ging ich in den Jünglingsverein, den ein Diakon Zimmermann aus Krischona leitete. Die Form des Umganges dort gefiel mir jedoch nicht so sehr. Wir wurden nicht gefragt: „Wie geht es dir?“, sondern „Wie geht es deiner Seele?“ Hier habe ich für meinen späteren Beruf gelernt, wie man es nicht machen soll. Meine Lehrzeit von 2 ½ Jahren ging zu Ende, und ich musste als Gesellenstück vier Kutschenräder anfertigen. Sie wurden für gut befunden, und ich wurde frei gesprochen.

Inzwischen war ich auch in dem Alter, dass ich meiner Militärpflicht genügen musste. Bei der Musterung wurde ich für tauglich befunden und sollte zur Feldartillerie. Aber ich war bereits überzählig und wurde in diesem Jahr nicht mehr eingezogen. So fuhr ich zu einer befreundeten Familie nach Wuppertal. Im Frühjahr wollte ich mit meinem Freund Wilhelm auf Wanderschaft gehen.

In dieser Zeit lernte ich meine spätere Frau Lina kennen. Wir ahnten damals noch nicht, dass wir 10 Jahre warten müssten, bevor wir heiraten könnten. Im Frühjahr marschierte ich mit meinem Freund Wilhelm über Nassau, Ems, Koblenz bis nach Köln. Wir haben uns nirgends lange aufgehalten. In Bonn schliefen wir in einer sehr schönen, sauberen und nett gehaltenen Herberge. In Köln bekamen wir beide Arbeit, ich in einer Wagenfabrik, Wilhelm in einer größeren Tischlerei. Wir bewohnten gemeinsam ein Zimmer. Später wanderten wir nach Düsseldorf. Ich nahm dort Arbeit in einer Wagenfabrik an. Hier machte ich auch die erste Bekanntschaft mit den Gewerkschaften, da die älteren Gesellen mich in die Versammlungen mitnahmen.

Im Januar 1891 erreichte mich plötzlich der Befehl, mich beim Infanterieregiment in Diedenhofen in Lothringen zu melden. Ich verließ Düsseldorf und nahm meinen Weg über die Heimat. In Koblenz besichtigte ich eine Filiale der Scheurener Anstalten in Langau, wo Lina inzwischen als Gehilfin eingetreten war. Nach einem Fußmarsch von 10 Stunden erreichte ich Wiesbaden, wo ich mich bei der Bezirkkommandantur meldete. Ich wurde einem Gefreiten übergeben, der mich nach Mainz brachte. Am nächsten Morgen fuhr ich durch die Pfalz nach Diedenhofen. Die Kompanie war bereits seit drei Monaten in der Ausbildung, und ich war als Ersatz für einen Mann eingezogen worden, der dienstuntauglich geworden war. So wurde ich nachträglich alleine ausgebildet. Das Regiment war vor einigen Jahren aus ostpreußischen Offizieren und Unteroffizieren zusammengestellt worden. Die Namen waren für mich unaussprechlich. Die Ausbildung war wirkliche Soldatenschinderei. Ich musste dann auch für einige Wochen wegen einer Fußwunde ins Lazarett. Im zweiten Dienstjahr wurde ich zur Schießschule nach Spandau versetzt. Hier hatte ich auch Gelegenheit, Berlin kennen zu lernen. Die Dienstzeit dauerte damals drei Jahre. Ich wurde später jedoch noch einmal zu einem Kaisermanöver eingezogen.

Nach der Wehrpflicht nahm ich in Koblenz wieder Arbeit in meinem Beruf als Stellmacher auf. Meinen Beruf hatte ich gern und stand nun vor der Wahl, diesen weiterzuführen oder zur Mission zu gehen. In Koblenz kam ich in einen Kreis junger Männer, die mich dazu drängten, in die Diakonenanstalt Duisburg einzutreten. Ich ließ mir von dort Unterlagen schicken. Doch die Ausbildung für die Krankenpflege behagte mir nicht. Anlässlich meiner Besuche bei Lina kam ich auch mit Diakonen des Rauhen Hauses zusammen, die mir rieten, mich beim Rauhen Haus zu bewerben. Auf meine Anfrage erhielt ich die Antwort, ich solle sofort nach Hamburg zur Vorstellung kommen. Doch dazwischen kam die Aufforderung, beim Kaisermanöver mitzumachen, so dass ich erst danach zur Vorstellung nach Hamburg kam.

Direktor Johannes Wichern (Johann Hinrichs Sohn war seit 1873 Vorsteher) wünschte, dass ich noch zur Feier des 60. Jahrestages am 12. September 1893 in Hamburg sein sollte, da dies eine bleibende Erinnerung für mich sein würde. So traf ich am 11. September 1893 in Hamburg ein. Damit hatte ein neuer bedeutender Abschnitt meines Lebens begonnen.

Die Zeit im Rauhen Haus

Bei mir stellte man fest, dass ich vom Lande sei und deshalb gut mit einem Fuhrwerk umgehen konnte. So bekam ich einen wunderschönen Esel und einen Eselwagen anvertraut und durfte ein halbes Jahr lang das gute Trinkwasser aus einem Brunnen der Koppel in die Anstalt fahren, da das Leitungswasser nicht zu trinken war. Meine Eselin Flora habe ich in guter Erinnerung behalten.

Zu unserer Ausbildung gehörte auch eine Gehilfenzeit in einer auswärtigen Anstalt, die in der Regel zwei Jahre dauern sollte. Ich wurde zu diesem Zweck in die Arbeiterkolonie Kästorf bei Gifhorn geschickt. Dort waren 250 Plätze für Leute, die im Leben gestrauchelt waren und hier einen neuen Anfang wagen wollten. Die Männer fanden Beschäftigung in den Werkstätten, aber auch bei der Urbarmachung weiter Heideflächen. Als ich hinkam, bestand die Kolonie bereits 12 Jahre, und wir hatten zu dieser Zeit 1.500 Morgen Land urbar gemacht. Drei Pferde- und drei Ochsengespanne waren für die Bearbeitung dieser Flächen nötig. Ich hatte den Innendienst zu versehen mit Aufnahme, Entlassung und persönlicher Betreuung der Kolonisten, während die anderen drei Gehilfen Außendienst hatten und mit den Kolonisten draußen arbeiten mussten. Der Leiter der Anstalt war Diakon Kuhlmann vom Rauhen Haus. Von ihm habe ich viel gelernt. Ich musste die Werkstätten beaufsichtigen, das Material herausgeben, die Fleischportionen abwiegen und anderes mehr. Um 5 Uhr morgens begann mein Dienst, der bis in den späten Abend hinein dauerte, bis die Leute im Bett waren. Viele der Kolonisten hatten schwere Zuchthausstrafen hinter sich. Trotzdem bin ich gut mit ihnen zurecht gekommen. Wenn es Schwierigkeiten gab, haben mir meistens die anderen Kolonisten geholfen. Nach 1 ½ Jahren wurde ich vom Rauhen Haus wieder angefordert. Der Hausvater in Kästorf war nicht sehr erfreut darüber und sagte: „Wenn ich einen guten Gehilfen habe, so kommt er nach 1 ½ Jahren wieder weg, habe ich aber einen schlechten, so muss er 3 Jahre bleiben.“

In diese Zeit fiel auch der Tod meines Bruders Christian im Frühjahr 1895. Meine damalige Freundin Lina hatte ihn öfter im Krankenhaus besucht und mir geschrieben, ich möchte ihn doch noch einmal besuchen kommen. So bin ich dann nach Wiesbaden gefahren und fand ihn sehr krank.

Ich kehrte ins Rauhe Haus zurück und sollte meine theoretische Ausbildung beginnen. Aber es dauerte nicht lange, da fehlte eine Kraft, die landwirtschaftliche Kenntnisse hatte und mit den Landwirtschaftslehrlingen umgehen konnte. Diese Kraft sollte ich sein. In Jenfeld neben dem Exerzierfeld der Wandsbeker Husaren hatte das Rauhe Haus 150 Morgen Land. Außer zwei Knechten, welche die Pferdegespanne führten, wurden auch die Ökonomielehrlinge eingesetzt. Es waren 20 junge Leute im Alter von 16 bis 20 Jahren. Sie kamen meistens aus den sogenannten höheren Ständen; viele Adlige und Söhne von Offizieren, Kaufleuten und Gutsbesitzern waren darunter. Die Landwirtschaft des Rauhen Hauses war damals in Deutschland ein Begriff, da wir Versuchsfelder für künstliche Düngung hatten. Die theoretische Ausbildung wurde von Dr. Ullmann durchgeführt. Der Kunstdünger wurde von den Fabriken kostenlos zur Verfügung gestellt, aber wir mussten die Verarbeitung des Düngers und die Ernteergebnisse schriftlich genau festhalten. Das war eine sehr schwierige Arbeit, jedoch für die Jungen sehr lehrreich. Ich kam sehr gut mit ihnen zurecht und stand später noch lange mit einigen von ihnen im Briefwechsel. Für mich war die Zeit sehr anstrengend. Im Sommer mussten wir um 5 Uhr raus, im Winter um 6 Uhr. Bald nach dem Frühstück ging es aufs Feld, eine halbe Stunde Weg. Dort arbeiteten wir bis Mittag. Nach dem Mittagessen fuhren wir wieder hinaus und arbeiteten bis zum Abend. Zur Arbeit kamen also jeden Tag zwei Wegstunden hinzu, dazu dann noch abends die Arbeit in der Familie, das Ganze beinahe 4 Jahre lang. Ich wurde nicht abgelöst, so dass ich den Unterricht, den Johannes Wichern persönlich erteilte, nicht, wie meine Kameraden, ordentlich besuchen konnte. So halfen sie mir abends, das am Tage Durchgenommene nachzuarbeiten.

Das ganze Leben im Rauhen Haus war mir lieb geworden und hat mich tief geprägt. Die religiöse Wärme war unaufdringlich, aber immer gegenwärtig. Die Morgen- und Abendandachten im Betsaal, die Wichern sehr oft selbst hielt, haben meinem Leben die Richtung gegeben. Besonders eindringlich wusste Wichern die Festzeiten, besonders die Weihnachtszeit zu gestalten. Sehr schön war es, wenn in der Adventszeit jeden Sonntag auf dem Kronleuchter ein Licht angesteckt wurde. Wir hatten einen kleinen und einen großen Knabenchor, die sehr schön sangen. Etwa 10 Tage vor dem Fest zogen die Jungen in den Wald, um Moos und anderes Material für den Bau einer Krippe zu holen, die der Sattler Colditz mit Pappe ausgekleidet hatte. In der Adventszeit zog der kleine Chor mit seinen Liedern auf Betteltour zu den Kaufmannsfamilien, die dem Rauhen Haus nahe standen und führte eine Sammelbüchse mit sich. Sie brachten oft reiche Geldbeträge heim. Außerdem hatten die Familien des Rauhen Hauses auch Patenschaften bei bedürftigen Leuten in der Stadt übernommen, die sie zu Weihnachten beschenkten. Diese Bescherten hatten dabei nicht den Eindruck, dass sie Nehmende waren, sondern dass sie geehrt wurden. Am Heiligen Abend gingen alle Jungen zur Christmette in die Hammer Kirche. Während dieser Zeit baute der Familienbruder den Gabentisch auf. Die Gaben stammten meistens von den Eltern. Wo Eltern nichts schicken konnten, stiftete das Rauhe Haus Geschenke aus Spenden, so dass sich kein Junge zurückgesetzt zu fühlen brauchte. Frau Wichern sorgte als gute Hausmutter dafür, dass für jeden Jungen das Fest zu einem Freudentag wurde. Nach dem Festessen kam die Bescherung der Brüder. Die Knaben, etwa 300 an der Zahl, wurden derweil für eine Stunde in der Turnhalle versammelt. Ein Bruder las ihnen eine weihnachtliche Geschichte vor und sang mit ihnen. Das war keine ganz leichte Aufgabe, die ich auch einmal zu erfüllen hatte. Die Bescherung der Brüder nahm Frau Wichern selber vor. Wir bekamen praktische Dinge, wie Bücher, Wäsche und dergleichen. Wer bei dieser Gelegenheit einen Reisekoffer bekam, konnte annehmen, dass seine Entsendung in naher Zeit bevorstand. Der erste Feiertag verlief still. Am zweiten Feiertag wurde ein Rundgang durch die Anstalt gemacht und die Krippen in den Familien besichtigt. Die Familie mit der schönsten Krippe bekam ein Geschenk als Prämie.

Ich war nun 29 Jahre alt und seit 5 ½ Jahren im Rauhen Haus. Es bestand die Vorschrift, dass sich kein Bruder verloben durfte, bis seine Entsendung in Aussicht stand. Als ich eintrat und von Wichern gefragt wurde, wie es damit bei mir stünde, sagte ich ganz offen: „Verlobt bin ich nicht, aber ich weiß bereits, mit wem ich mich einmal verloben werde, wenn es soweit ist.“ 1893 war ich ins Rauhe Haus eingetreten. Nach vier Jahren, 1897, erhielt ich die Genehmigung, mich zu verloben. Ich fuhr dafür nach Wiesbaden zu meiner Braut. Wir kannten uns nun schon über 7 Jahre. Jetzt, nach 5 ½ Jahren, sollte ich ins Syrische Waisenhaus nach Jerusalem berufen werden. Dazu war jedoch Bedingung, dass ich noch einige Jahre unverheiratet bleiben sollte. Mit Rücksicht darauf, dass wir nun schon so lange aufeinander gewartet hatten, musste ich dieses Angebot jedoch ablehnen, und Wichern verstand es und sandte einen anderen Bruder in diese Stelle. Nach einiger Zeit wurde aus Bremen ein Stadtmissionar verlangt.

Stadtmissionar in Bremen – ab 1.05.1899

Ich hatte an alles andere eher gedacht, als Stadtmissionar in einer Großstadt zu werden. Wegen meiner praktischen Begabung hatte ich mit einer Heimleitung gerechnet, auch schon im Hinblick auf meine Verlobte, die ja in diakonischen Anstalten gearbeitet hatte. Aber es half alles nichts. Wichern sagte: „Sie fahren nach Bremen und stellen sich vor, und es wird schon gehen.“ So fuhr ich im Februar 1899 nach Bremen und suchte den dortigen Vorstand auf. Einen Inspektor der Inneren Mission gab es damals noch nicht. Pastor Kunz von St. Pauli (Neustadt) vertrat die Sektion Stadtmission. Ihn besuchte ich zuerst. Als er hörte, dass ich aus Nassau sei, sagte er: „Da komme ich auch her.“ Und damit war die Sache eigentlich in Ordnung. Weiter sagte er zu mir: „Setzen Sie sich auf Ihr Sofa.“ Als ich ihn fragend ansah, erwiderte er: „Dieses Sofa schenke ich Ihnen für Ihren künftigen Haushalt.“ Damit hatte ich nicht nur eine Anstellung gefunden, sondern auch ein Sofa. Es war ein altes Stück mit einem defekten Überzug, aber mit einem wundervollen Gestell, um welches ich später oft beneidet wurde.

Aber es hatte noch der Vorsitzende der Inneren Mission in Bremen, Landgerichtsdirektor Carstens, sein Ja-Wort zu geben. Ich suchte ihn auf. Er war der typische vornehme, gütige Bremer Richter, der schon durch seine ganze Persönlichkeit Ehrerbietung erheischte. Er ließ mich in einen Schaukelstuhl neben seinem Schreibtisch setzen. Das Biest wollte gar nicht stillstehen und irritierte mich, während ich aus meinem Leben erzählen sollte. Ich wurde dann freundlich mit dem Bescheid entlassen, dass ich bald wieder von ihm hören werde. So erfolgte dann auch meine Berufung zum 1. Mai 1899 als Stadtmissionar in Bremen, wo ich den Bezirk Gastfeldstraße übernehmen sollte. Diesen Bezirk hatte bisher Bruder Conrad Drojewsky (siehe Unterseite 9) betreut, aber nun einen neuen Bezirk in der Bahnhofsvorstadt übernommen. Da er aber zunächst noch die zu meinem neuen Bereich gehörige Wohnung in der Kinderbewahranstalt inne hatte, nahm ich vorläufig meine Wohnung in der Herberge 2 an der Schlachte. Hier hatte ich ein kleines Zimmer mit einem Bett und dazu meinen Schließkorb, was mir völlig genügte. Bald zog ich aber zu Bruder Palm in die Süderstraße, bei dem ich Wohnung und Verpflegung hatte, auch dann noch, als Drojewsky (siehe Unterseite 9) die Wohnung frei gemacht hatte. Das erste Halbjahr wurde als Probezeit angesehen, und bis dahin musste ich unverheiratet bleiben. Bruder Palm hatte ich bei meinem Eintritt ins Rauhe Haus kennen gelernt. Er war Gehilfe in der Arbeiterkolonie Lühlerheim und dann später als Stadtmissionar nach Bremen berufen worden. Ich hätte damals nicht gedacht, dass wir uns hier in Bremen wieder treffen würden.

Bruder Drojewsky sollte noch 14 Tage mit mir zusammen sein und mich einführen. Er redete den ganzen Tag so auf mich ein, dass mir abends der Kopf weh tat. Er meinte es gut und war überzeugt, dass er mir damit einen großen Dienst tun würde. Wir besuchten viele Leute, auf die es in der Arbeit besonders ankam. Dazu gehörten die zwei Pastoren der St. Pauli- und der Jacobi-Gemeinde, sowie auch andere Pastoren, die mit uns zusammen arbeiteten. Er erklärte mir auch den Unterschied zwischen den lutherischen und den reformierten Gemeinden. Ich sollte mir alles notieren und möglichst auswendig lernen. Dies hielt ich jedoch für höchst überflüssig, aber es musste zunächst geschluckt werden. Beim Besuch eines Bauern, der sehr wortkarg war, sagte Drojewsky zu mir: „Wenn du aus dem fünf Worte herausbekommst, kannst du etwas.“ Wir kamen hin, bekamen ein Glas Wein vorgesetzt, und Drojewsky führte das Wort. Der Bauer nickte nur und schwieg still vor sich hin. Beim Hinausgehen fragte ich den Bauern, ob er mir nicht einmal seinen Viehstall zeigen wolle, ich sei vom Lande und hätte Tiere gern. So kam ich mit dem wortkargen Bauern in ein anregendes Gespräch über das Vieh.

Ich hatte die Aufgabe, in Gemeinschaft mit den Pastoren Cuntz und Leipold von St. Pauli die Vereine, Gemeindekreise und Kindergottesdienstarbeit zu übernehmen. So hatte ich einen Jünglingsverein, einen Bläser- und einen Männerchor. Der Anfang war nicht leicht. Ich hatte wohl ein Gefühl für Musik, aber mir fehlte die Ausbildung. So musste ich jede freie Stunde einsetzen, das Fehlende nachzuholen. Im Kindergottesdienst hatte ich den alten Auswanderermissionar Krone zur Hilfe. Gleichzeitig mit der Arbeit in der Gastfeldstraße hatte ich auch meinen Dienst an der St. Jacobi-Gemeinde. Während ich in der Gastfeldstraße mit Pastor Müller zu tun hatte, war ich hier mit Pastor Valkmann zusammen. Wir wechselten uns mit den Bibelstunden ab, und zwar einmal im Gemeindehaus der Jacobi-Gemeinde, zum anderen in der Schule Kattenturm.

Da man in Bremen mit meiner Arbeit zufrieden war, stand unserer Verheiratung jetzt nichts mehr im Wege. Meine Braut, die eine verantwortliche Stelle in einem Haushalt in Wiesbaden hatte, war im Sommer 1899 nach Hause gegangen, um ihre Aussteuer fertig zu machen und alles für die Übersiedlung nach Bremen vorzubereiten. Die Hochzeit sollte in der zweiten Septemberhälfte stattfinden. Da erhielt ich plötzlich die Nachricht, dass die Mutter meiner Braut an Herzschlag verstorben war. Unglücklicherweise lag ich mit einer Magen-Darm-Erkrankung im Bett, machte mich aber trotzdem auf die Reise nach Koblenz, um bei der Beerdigung dabei zu sein. Nach der Beerdigung berieten wir, wie wir es mit der Hochzeit halten wollten. Wir fanden es richtig, uns dort in Koblenz ganz still trauen zu lassen und anschließend nach Bremen zu fahren. Unsere Papiere waren bereits in Ordnung, so dass dem nichts mehr im Wege stand. So wurden wir also am 12. September 1899 in aller Stille getraut. Die standesamtliche Trauung war wenig feierlich. Der Standesbeamte saß mit seiner Pfeife in seinem Amtszimmer und die Formalitäten waren ein reiner Aktenvorgang. Er zog noch einmal kräftig an seiner Pfeife, dann traute er uns und freute sich, dass die Pfeife danach noch brannte. Um so angenehmer war für uns die kirchliche Trauung, zumal ja dieser Pfarrer wenige Tage vorher unsere Mutter beerdigt hatte. Wir besuchten noch einmal alle Verwandten und Bekannten in der Umgebung und fuhren dann über Elberfeld nach Bremen. Hier wurden wir durch einen großen Empfang überrascht. Der Bläserchor brachte uns ein Ständchen, und die Frauengruppe unter Leitung von Frau Baronin Uexküll hatte unsere Küche mit allen Lebensmitteln versehen, die für einen Anfang notwendig waren. Schon nach kurzer Zeit hatte man festgestellt, dass Lina die richtige Frau für einen Stadtmissionar sei. Meine Frau besuchte die Armen des Bezirkes. Es war ein schöner Anfang unserer gemeinsamen Arbeit. So wohnten wir nun zusammen bis zum 1. April 1901 im Hause der Kinderbewahranstalt in der Gastfeldstraße, auch noch, als unser erstes Kind schon geboren war. Dann siedelten wir in das Vereinshaus der Inneren Mission, Süderstraße 30a, um. Hier haben wir 43 Jahre lang unseren Dienst getan und Freud und Leid in Familie und Beruf gemeinsam durchlebt, bis unser Haus am 6. Dezember 1944 vernichtet wurde. Im Parterre war unsere Wohnung, bestehend aus vier Zimmern. In der ersten Etage befand sich der Saal für Versammlungen. Daneben gab es noch einige Abstellräume und zwei kleine Zimmer im Dachgeschoss, die von unseren Kindern bewohnt wurden. Das Haus, in dem sich einmal eine sogenannte Klippschule befunden hatte, war 1856 in einem verwahrlosten Zustand von der Inneren Mission gekauft worden, um es als Vereinshaus zu nutzen.

So gingen zwei Jahre dahin. Da sollte Bruder Palm, der die Stadtmissionsarbeit in der Süderstraße betrieb, als Vorsteher das hiesige Altenheim übernehmen und musste ersetzt werden. Pastor Cuntz, der mich gerne in der Süderstraße haben wollte, setzte es durch, dass ich die dortige Arbeit übernahm und Felix Hoffmann in die Gastfeldstraße versetzt wurde. Mein Hauptarbeitsgebiet war nicht in der Süderstraße, sondern zog sich mehr zum Hohentor hin, einem aufblühenden Vorort. Dort wurde unter Leitung von Pastor Cuntz, dem Ehepaar Uexküll und mir als Stadtmissionar, der Aufbau einer eigenen Kirchengemeinde vorangetrieben. 1907 kam es zum Bau des Pfarrhauses, später auch der Kirche.

Unser Familienleben

Nach unserer Hochzeit am 12. September 1899 wohnten wir die ersten zwei Jahre unserer Ehe in der Gastfeldstraße, wo auch am 10. August 1900 unser Sohn Gustav geboren wurde. Am 1. April 1901 zogen wir in die Süderstraße. Pastor Cuntz half uns kräftig beim Umzug. Unser kleiner Gustav blieb den Tag über bei Pastor Müller. Das neue Haus befand sich in einem sehr schlechten baulichen Zustand. Als Beleuchtung hatten wir Gaslicht mit zwei offenen Gasflämmchen, die in der Mitte des Zimmers aus zwei Röhren von der Decke hingen. Nach wenigen Wochen sah unsere Wohnung aber schon anders aus. Die Fenster bekamen Gardinen und an Stelle der offenen Gasflämmchen schafften wir uns Gasglühlicht an, damals ein Fortschritt.

Die Näherinnen der Inneren Mission waren mit in unserer Wohnstube untergebracht, so dass unsere Familie noch sehr eingeengt war. Damals gab es in der Neustadt noch keine Spülklosetts, sondern nur das Tonnensystem. In einem kleinen Anbau hinter der Waschküche war der Standort der Tonne. Dahin musste alles, was in unserem Hause ein und aus ging, zur Toilette – durch unsere Küche. Wenn wir abends größere Kreise hatten, reichte die Tonne natürlich nicht aus, denn sie wurde nur alle drei bis vier Tage abgefahren. Das war für ein Vereinshaus natürlich eine Unmöglichkeit. Wenn die Tonne vor der Abfahrt voll war, musste der Inhalt manchmal im Garten eingegraben werden. Eine reichlich gefüllte Tonne führte zu Auseinandersetzungen mit den Abfuhrleuten. Wir mussten dann mit Zigarren und Trinkgeldern nachhelfen. Als im Jahre 1904 das Haus renoviert wurde, bekamen wir zwei Spülklosetts, eins unten, eins oben. Durch einen kleinen Umbau wurde auch eine Teeküche für die Bewirtung der Heimbesucher eingerichtet. Der Nähverein konnte in dem großen Saal untergebracht werden, so dass wir unsere Wohnung endlich für uns hatten.

Am 3. November 1901 wurde unsere Elisabeth geboren. Es war an einem Sonntag. Am Vormittag hatte ich noch mit dem Chor der St. Pauli-Kirche geübt, und am Nachmittag veranstalteten wir einen Musiknachmittag im Altenheim. Als ich den Chormitgliedern sagte, dass ich inzwischen Vater eines zweiten Kindes geworden sei, wollten sie es nicht glauben. Niemand hatte bemerkt, dass bei uns ein solches Ereignis bevorstand, nicht einmal die Damen vom Nähverein, die sonst alles sehr schnell spitz bekamen, was bei uns im Hause passierte.

Meine Frau war jetzt mit beiden Kindern reichlich überfordert, zumal sie abends auch noch in den Vereinen tätig war. Der Vorstand hatte ein Einsehen und stellte uns die Mittel für die Anstellung einer Reinigungskraft zur Verfügung. So vergingen 10 schöne Jahre.

Wir hatten einen wundervollen Garten hinter dem Hause, und so blieb es unseren Kindern erspart, die Straße als Spielplatz benutzen zu müssen. Schwer war es allerdings für unsere Kinder, mit ansehen zu müssen, wie andere Eltern sonntags mit ihren Kindern spielten, während ich immer dienstlich gebunden war. Zum Ausgleich habe ich mich immer bemüht, den Montag als „Pastorensonntag“ für meine Familie frei zu halten, den wir vielfach zusammen mit anderen Berufskollegen und deren Familien verlebten.

Bedrückend war für uns, dass unsere Tochter eine Gehbehinderung hatte, die nur von einem „berühmten Arzt“ in Hannover kuriert werden konnte. Die Trennung fiel unserem Kind sehr schwer. Auch die Kosten für die Heilung waren sehr erheblich, aber die Innere Mission hat uns eine großzügige Unterstützung gewährt, zumal ich ja nur ein geringes Gehalt bekam. Unsere Tochter konnte anschließend mühelos größere Wanderungen mit uns unternehmen.

Unser Sohn kam mit 6 Jahren in die St. Pauli-Kirchspielschule. Sein erster Lehrer hieß Wilhelm Hax, der Sohn des ersten Stadtmissionars in der Süderstraße. Auch von der Lehrerin war er so begeistert, dass er sie vom Fleck weg heiraten wollte. Später besuchte er eine private Vorschule zur Vorbereitung auf die höheren Schulen in der Brautstraße. 1920 kam er in die neu eröffnete Realschule der Neustadt, und da er gute Anlagen zeigte, später auf das Realgymnasium in der Kaiser-Friedrich-Straße. Mit unserer Tochter ging mir der Schulunterricht nicht schnell genug und ich wurde oftmals sehr ungeduldig. Meine Frau sagte dann immer: „Geh du man an deine Arbeit, und lass mich das machen.“ Ich merkte dann, dass ich für diese Aufgabe zu ungeduldig war. Mit vereinten Kräften schafften wir es dann doch, dass sie in die Vietor-Schule aufgenommen wurde, in welcher sie sich bald zu einer der besten Schülerinnen empor arbeitete. Später kam sie auf das Oberlyzeum und wollte gern Lehrerin werden. Das war die erste Serie unserer Kinder.

1911 und 1915 kam die zweite Serie hinzu. Die Großen waren über die Neulinge sehr erstaunt, aber bald nahmen sie sich unserer Kleinen mit Liebe an. Sie haben uns bei der Erziehung fleißig unterstützt und hingen mit großer Liebe an ihren Geschwistern. Wir Eltern, die wir ja unsere Arbeit in der Gemeinde hatten, sind ihnen dafür zu großem Dank verpflichtet.

Sorgen machten uns oft die Kinderkrankheiten, zumal es damals noch nicht, wie heute, die geeigneten wirksamen Medikamente gab. Ich selbst konnte die Sorge nicht los werden, wie weit ich unsere Kleinen noch ins Leben hineinführen könnte, zumal ich damals ja bereits 46 Jahre alt war und meine Gesundheit auch nachließ. Vermehrt wurden unsere Sorgen dadurch, dass ihre Jugend gerade in die Kriegszeit 1914-1918 fiel. 1916 war ein Hungerjahr, und ich fuhr oft mit meinen Kindern mit einem Handwagen auf die Parzelle, um etwas Gemüse zu ernten. Meine Frau musste bei vier Kindern das Brot sehr genau einteilen.

Mit meiner Gesundheit stand es nicht zum Besten. Ich litt an einer Magen- und Darmstörung. Der Arzt schickte mich zu einer Kur nach Bad Meinberg, aber hier verschlimmerte sich mein Leiden durch die schwefelhaltige Quelle noch mehr. Professor Dr. Stoevesandt stellte mir dann ein geeignetes Diätrezept zusammen, so dass ich dadurch viele Jahre ohne Beschwerden war.

1939 holte ich mir einen Beckenbruch, als ich beim Anbringen der angeordneten Verdunkelung von der Leiter fiel. In den vielen kalten Nächten im Luftschutzkeller holte ich mir 1944 eine Lungenentzündung. Seltsamerweise blieb ich dann in meinen späteren Lebensjahren bis ins hohe Alter hinein völlig gesund.

Meine Arbeit als Stadtmissionar

Bei den Jubiläen und anderen besonderen Feiern wurde in den Kreisen der Inneren Mission scherzhaft gesagt, ich sei keine „Posaune“ gewesen, ich habe nicht „tönen“ wollen, und damit hat man wahrscheinlich die Wahrheit getroffen. Es lag mir nicht, „zu predigen“. Gewiss habe ich auch predigen müssen, sehr oft in den Vereinen, in den Bibelstunden, in den Kinderstunden und anderen Veranstaltungen der Bremer Kirchengemeinden. Aber mir lag mehr an einem schlichten, warmherzigen Zeugnis, als an forschen Predigten. Mir ging es darum, die Kreise christlich fundierter Gemeinschaft in freundschaftlicher Art zusammenzuhalten und darin Gottes Wort schlicht und zeitgemäß zu verkündigen.

In meiner Arbeit wurde ich stark unterstützt von meiner Frau und später von den heranwachsenden Kindern, die sich in die große Hausgemeinschaft der Süderstraße 30 a mit einfügten. In diesem Bestreben wurde ich in meinen Kreisen verstanden. Ich stellte nie meine Führerschaft heraus. Sie wurde aber in all den Jahren meiner Wirksamkeit auch nie übersehen oder angezweifelt. So sind alle meine Arbeitskreise mit mir durch die Krisen der Zeit hindurch gegangen, ohne dass es zu irgendwelchen Problemen kam. Unser ganzes Gemeinschaftsleben war durchdrungen von einem Geist gegenseitiger Hilfsbereitschaft, der sich auch zu Hause auswirkte. Auch die Vereine unterstützten sich untereinander gegenseitig. Hatte der Jungmännerverein eine Feier, so half der Chor selbstverständlich mit seinen Liedern. Die Jungen dagegen begeisterten die anderen Vereine gerne mit Aufführungen oder turnerischen Darbietungen. Die Kinderkreise erfreuten „die Alten“. Jeder diente mit der Gabe, die ihm beschieden war.

Als das Haus zerstört war, hat mir mancher, der hier eine starke Bereicherung seines Lebens gefunden hatte, gesagt, wie lieb ihm diese Gemeinschaft geworden war. Der ganze Zuschnitt der Arbeit hatte etwas Konservatives an sich.

Die Kinder, die den Kindergottesdienst besucht hatten, gingen später über die Vereine, haben hier auch vielfach den Partner fürs Leben gefunden und schickten später wieder ihre Kinder zu uns, so dass aus manchen Familien schon die dritte Generation bei uns war.

Kindergottesdienst

In den ersten sieben Jahren hatte ich an zwei Stellen Kindergottesdienst zu halten, am Vormittag in der Süderstraße, am Nachmittag in der Hohentorstraße. Im Johann-Heinrich-Stift hatten wir mehrere Räume zur Verfügung und konnten 200 bis 250 Kinder aufnehmen. Hier half Frau Baronin von Uexküll sehr fleißig mit. In der Süderstraße hatte ich nur einen Raum, musste die Kinder allein unterrichten und hatte nicht gern mehr als 40 bis 50 Kinder dabei. Es lag mir daran, dass die Kinder neben der kirchlichen Unterweisung erst einmal viele Lieder lernten, die sie später auch ins Leben mitnehmen konnten. Es kamen vielfach Kinder aus den ärmsten Schichten zu mir, aus den Häusern und Gängen der Neustadt, deren Familien vielfach keinerlei Verbindung mehr mit der Kirche hatten. So war es mein Bemühen, sie in dem entsprechenden Alter den Pastoren der St. Pauli-Gemeinde für den Konfirmandenunterricht zuzuführen. Vielfach bekamen dadurch auch die Eltern Verbindung mit der Kirche. Beim Ausscheiden aus dem Kindergottesdienst bekamen die Kinder ein Neues Testament oder ein Gesangbuch von mir. Meinem Vorgänger Hax passierte einmal, dass zur Weihnachtszeit die Kinder ein kleines Büchlein und einen kleinen Klaben bekamen. Während seine Frau oben im Raum die Geschenke austeilte, stand Hax bei den wartenden Kindern vor der Tür. Da kam ein Junge die Treppe herunter und rief den anderen Kindern zu: „Wegen solch einem kleinen Klaben muss man nun in die Sonntagsschule gehen!“

Jungmännerverein

Der Jungmännerverein war mir besonders lieb, denn gerade im Jünglingsalter sind die Jungen aufgeschlossen für Freundschaft und Kameradschaft mit ihresgleichen. Sie sind auch bereit, christlichen Gemeinschaftsgeist in sich aufzunehmen. Werden sie dann etwas älter, lassen sie sich schon gemeinsam zur Mitarbeit an den jüngeren Kameraden gewinnen. Sie konnten mir so wesentlich mithelfen, die Arbeit erfolgreich zu gestalten. Besonders, als ich älter wurde, war es mein Bemühen, mir eine Helferschar heranzubilden, die mich in der Arbeit unterstützte, beim Turnen, bei Wanderungen, Freizeiten und dergleichen. Einer meiner treuesten, unentgeltlich helfenden Mitarbeiter war Emil Meyer, der auf die Jugend starken Einfluss ausübte, indem er Geigenunterricht gab. So haben diese Helfer mit dazu beigetragen, die jungen Männer zu starken christlichen Persönlichkeiten zu erziehen, die in ihrem Leben ihren Mann stehen konnten. Es war mir oft eine große Freude, wenn ich in Geschäften, Büros und Werkstätten Männer traf, die durch unsere Kreise gegangen waren und es zu etwas Tüchtigem in ihrem Beruf gebracht, die aber auch später in unserer Gemeinde kirchliche Dienste übernommen hatten. Sie gedachten immer dankbar der Zeit ihrer Mitgliedschaft in unserem Jungmännerwerk.

Chorgesang

In der Chorgemeinschaft „St. Pauli-Gesangverein“ war es möglich, Männer und Frauen jeden Alters zusammenzufassen und damit eine familiäre Gemeinschaft herzustellen. Bei meiner Übernahme des Chores war ich nur Dirigent, während der Chor selbst einen Vorsitzenden hatte. Wenn ich mit dem Chor etwas unternehmen wollte, musste ich immer erst den Vorsitzenden fragen, was jedes Mal erst zu heftigen Diskussionen unter den Mitgliedern führte. Die älteren Chormitglieder waren geneigt, mich in dieser Stellung als Dirigent zu belassen. Diesen Zustand habe ich zwei Jahre lang mitgemacht, bis ich dann ganz klar gesagt habe, dass ich nicht künftig nur der Dirigent des Chores sein wolle, sondern auch der Leiter. Wir haben dann vereinbart, dass der Chor einen Vorstand haben solle, mit dem ich als Chorleiter alles besprechen könne. Diese Regelung hat sich dann später 44 Jahre lang zur beiderseitigen Zufriedenheit bewährt. Es bestand ein gutes Vertrauensverhältnis. Die Chormitglieder hielten in großer Treue zusammen. Auch hier haben sich viele Paare gefunden, und ihre Kinder sind später zusammen mit den Eltern gekommen und geblieben. In der Gemeinschaft wurden Freud und Leid gemeinsam durchlebt. Mit unserem Singen haben wir uns in bescheidenen Grenzen gehalten, denn es waren nicht alle Mitglieder gute Sänger. Ich selbst war ja auch kein ausgebildeter Musiker. Wir fühlten uns als Gesinnungsgemeinschaft der Inneren Mission und bemühten uns, mit den uns gegebenen Gaben und Kräften zu erreichen, was uns möglich war. So pflegten wir den Choral, die Motette, aber auch das gute alte Volkslied. Wir sangen in der Kirche, gingen durch die Krankenhäuser, das Siechenhaus, das Altenheim und sangen mit Vorliebe in unseren Familien bei Hochzeiten, Silber- und Goldhochzeiten und anderen Jubiläen.

Besonders gern gingen wir am 1. Adventssonntag in die Altenheime. Die Kinder sangen Advents- und Volkslieder, und gelegentlich hatten wir auch einen Solisten dabei. Die Mitglieder des Jungmännervereins führten dann ihre Stücke auf. Es waren Nachmittage, an denen wir in den Altenheimen mit großer Freude begrüßt wurden. Anschließend kehrten wir dann in eine Wirtschaft ein und ließen uns im großen Saal Kartoffelsalat und Würstchen servieren. Dies waren immer Abende fröhlicher Geselligkeit.

Daneben hatten wir noch unsere Familienabende in der Süderstraße. Jährlich hatten wir einen großen Abend in der Neustädter Turnhalle, später, als das „Moderne Theater“ entstand, im Gemeindehaus der Hohentorsgemeinde, der jedes Mal ein übervolles Haus bescherte. Ich habe dann immer einen Bericht über die Arbeitsgebiete der Inneren Mission gegeben. Wir sangen Chorlieder, hatten kräftige Solisten, manchmal auch eine Militärkapelle dabei.

Im Sommer machten wir gern Wanderungen oder große Ausflüge in die Umgebung mit Spielen und Singen. Dazu mieteten wir auch Autobusse und fuhren nach Wilsede oder Bückeburg, Kloster Loccum oder in den Teutoburger Wald. So bekam der Chor, der in seinen besten Zeiten bis zu 90 Mitglieder hatte, einen guten Zusammenhalt. Nach dem 2. Weltkrieg waren die Neustadt und auch unser Vereinshaus zerstört. Mit etwa 25 Teilnehmern kamen wir in einem Privathaus zu unseren Veranstaltungen zusammen.

Männerverein

Es war eigenartig, dass wir für einen so interessanten Kreis kaum Mitglieder finden konnten. Trotz vieler, lebhafter Mühe, auch seitens der Pastoren der Gemeinde, blieben wir in den ersten Jahrzehnten ein kleiner, aber treuer Kreis, der sich zu biblischer Besprechung zusammenfand.

Nähverein

Hier fand sich eine Anzahl Frauen zusammen, die unter Leitung meiner Frau für die Notleidenden der Neustadt nähten und strickten. Es waren die treuesten Frauen aus unseren großen Kreisen, die sich mit großer Liebe regelmäßig in dieser Gemeinschaft trafen. Während meine Frau die Arbeit einteilte und überwachte, hielt ich diesem Kreis eine Andacht und erzählte aus der Arbeit der Inneren Mission oder was uns sonst in der Neustadt interessierte. Oft las ich auch Geschichten vor, und vor allen Dingen wurde viel gesungen. Bei rührseligen Geschichten konnten einige Frauen auch ganz kräftig weinen. Da musste ich als Gegengewicht auch mal fröhliche Geschichten lesen. So habe ich dann vorher immer mit meiner Frau abgesprochen, welche Art Vorlesestoff sie für angebracht hielt. Bei all unseren Zusammenkünften war jedoch immer die christliche Grundlage das Entscheidende.

Bibelstunde

Unsere Bibelstunde umfasste die Kreise der Neustadt, die sich an einem Wochentag nachmittags frei machen konnten. Die Pastoren Raumsauer von der Äußeren Mission und Heyne von der Inneren Mission teilten sich mit mir diesen Dienst in den Bibelstunden. Es waren schöne Stunden, auf die sich die Besucher jede Woche freuten. Die Kreise kamen bis zur Zerstörung des Hauses zusammen. Später fanden sie sich in den Bibelkreisen der St. Pauli-, Zions- und Hohentorsgemeinde wieder.

Bibliothek

Die Innere Mission unterhielt in unserem Hause eine sehr schöne, stark genutzte Bibliothek mit etwa 800 Bänden, die für die Arbeit sehr wertvoll war. Sie bestand aus guten Biographien, christlichen Erzählungen, guten Romanen, Klassikern und Reisebeschreibungen. Daneben gab es auch gute Jugendbücher für Knaben und Mädchen. Gerade in unserem Bezirk, wo es sehr wenig begüterte Leute gab, war es ein wichtiger Dienst, den wir hier leisten konnten, zumal es öffentliche Bibliotheken damals noch nicht gab. Die Bücherausgabe erfolgte bei den abendlichen Versammlungen in unserem Hause, aber auch zu festgesetzten Zeiten für die Gemeindeglieder, die nicht zu den Kreisen kamen.

Hausbesuche

Neben den Gruppenstunden war mir die liebste und notwendigste Arbeit, Hausbesuche in meinem Arbeitsbezirk zu machen. Die Menschen geben sich in ihren Häusern ganz anders, als in den Versammlungen. Sie sind in ihren Wohnungen viel aufgeschlossener und freuen sich, wenn man ihnen zuhört. Es gehört dann viel Geschick dazu, von den Gesprächen über Wetter und Zeitgeschehen auf ihre inneren Anliegen zu kommen. Aber wenn das Vertrauen einmal hergestellt war, konnten wir offen miteinander über persönliche Probleme sprechen. Die Menschen fühlten sich durch die Besuche geehrt und die Besuche führten zu festeren Bindungen. Abweisungen bei Besuchen habe ich in den vielen Jahrzehnten ganz selten erlebt.

Die Innere Mission als mein Arbeitgeber

Als ich nach Bremen kam, hatte die Innere Mission noch keinen theologischen Leiter. Der Vorstand hatte die Arbeit in Sekt
ionen aufgeteilt. Stadt- und Auswanderermission hatte Pastor Cuntz von St. Pauli in der Neustadt zu verantworten. Die Herberge zur Heimat unterstand dem Kaufmann Vietor. Das Bibliothekswesen verwaltete Herr Noltenius, das Rechnungswesen Herr Volkmann, später Herr Kuhlenkampff. Im Jahre 1901 wurde Pastor Büttner als erster Inspektor von der Inneren Mission hauptamtlich angestellt. Über allem stand Herr Landgerichtsdirektor Carstens. Die rege Tätigkeit dieser Herren, zu denen auch noch Johannes Schröder gehörte, der Vater von Rudolf Alexander Schröder, machte auf mich einen starken Eindruck und verpflichtete mich, meine ganze Kraft einzusetzen, um ihrer würdig zu sein. Carstens war eine Vaterfigur, gütig, vornehm, zurückhaltend, von tiefem Ernst durchdrungen. Er besaß große Menschenkenntnis, und man fühlte sich sofort von ihm durchschaut. Volkmann war Kaufmann, großzügig und weitschauend im Denken. Er hatte ein stilles feines Wesen. Als Rechnungsführer war er großzügig im Großen, aber auf den Pfennig genau. Mit der Bitte um Geldbewilligung wagte ich mich nur an ihn heran, wenn es unumgänglich war, aber dann konnte er über die beantragte Summe hinaus sehr großzügig sein. So konnte ich, der ich die Gehaltsverrechnung hatte und manchmal genau wusste, dass Ebbe in der Kasse war, nur ängstlich fragen, wie das nun weitergehen solle. Aber zu meinem Erstaunen wurde mir dann gesagt: „Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Es schadet mir nichts, wenn ich einmal 50 bis 60.000 Mark vorschieße.“ Wurde es dann zu arg, so wurde eine Vorstandssitzung abgehalten und jedes einzelne Vorstandsmitglied bekam die Auflage, eine bestimmte Summe aufzubringen. Wenn mittags um 12 Uhr die Börse schloss, wurden einige in Frage kommende Kaufleute angegangen und um Spenden gebeten, so dass wieder für einige Zeit die Betriebsmittel gesichert waren. J. K. Vietor, sehr gebefreudig und ein rechter Freund der Berufsarbeiter der Inneren Mission, aber etwas sprunghaft in dem, was er anfasste, war uns eine große Hilfe. Er hatte ein warmes Herz für die Arbeit der Inneren Mission und die Stadtmissionare, die er jedes Jahr mit ihren Familien nach Leuchtenburg einlud, wo er uns in einem Gartenrestaurant königlich bewirtete. Dabei wurden dann auch die Probleme unserer Arbeit besprochen, und wir erhielten von ihm aufmunternde Worte. Da wir Stadtmissionare nur ein geringes Gehalt hatten, schenkte er uns öfter die Fahrkarten, wenn wir größere Reisen vorhatten. Gedenken möchte ich auch noch des Vorstandsmitgliedes Fritz Vietor, der für kurze Zeit Rechnungsführer war. Von ihm hätte die Innere Mission viel erhoffen können, wenn er nicht auf einer Reise bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen wäre.

Als Pastor Büttner 1901 Direktor der Inneren Mission wurde, gründete er die Frauengruppe der Inneren Mission. Auch die Arbeit an den Seeleuten wurde aufgenommen. Das Eckhaus an der Bürgermeister-Smidt-Straße wurde gekauft und als Verwaltungshaus mit Auswandererkapelle eingerichtet. Die Herberge zur Heimat wurde von der Schlachte zur Georgstraße verlegt. Unter Pastor Frick wurde das Hospiz erworben, die Arbeitstätte eingerichtet sowie die Brockensammlung gegründet. Die Arbeit von Pastor Fritz (1916-1922) war geprägt von den Problemen der Kriegs- und Nachkriegsjahre. In dieser Zeit wurde das Martha-Heim übernommen, außerdem erfolgte die Umwandlung der Arbeitsstätte in der Kornstraße zum Isenberg-Heim und die Gründung der weiblichen Stadtmissionsarbeit unter Fräulein Helene Graeber.

Am 15. Oktober 1922 wurde Pastor Heyne Direktor der Inneren Mission. Die Jahre nach dem Weltkrieg, gekennzeichnet durch die Inflationszeit, waren schwer. Wir alle waren Millionäre. Pastor Heyne wohnte kurze Zeit in der Georg-Gröning-Straße in der Wohnung von Pastor Fritz. Sein Umzug in die Holbeinstraße, nur um die Ecke, kostete 550.000 Mark.

Im Haus der Inneren Mission in der Georgstraße 22 war die zweite Etage „Herberge zur Heimat“. In der ersten Etage wohnte der Auswanderermissionar Krone. Im Parterre war das Büro der Inneren Mission, die Kapelle und das Sitzungszimmer, zugleich Bibliothek. Daneben gab es noch zwei kleine Zimmerchen für Beratungsgespräche. Die Innere Mission hatte nur eine Sekretärin für drei Stunden am Tage.

Fürsorgearbeit

Meine Arbeit brachte es mit sich, dass ich mich oft mit den Problemen der armen Leute befassen musste. In den einzelnen Stadtbezirken waren Armenpfleger bestellt, bei denen Anträge zu stellen waren. Die bestimmten dann die Höhe der Unterstützung. Einige städtische Beamte hatten die Aufgabe, die ehrenamtlichen Armenpfleger zu überwachen, damit sie den ihnen zugeteilten Spielraum nicht zu großzügig auslegten. Durch gute Kontakte zu den Armenpflegern konnten wir viel Not lindern helfen. Die Neustadt hatte damals noch keine eigene Fürsorgestelle. Die Innere Mission hatte auch eine gewisse eigene Unterstützungsmöglichkeit durch die Spenden wohlhabender Freunde. Zweimal im Jahr, in der Adventszeit und im März, machten wir Bittgänge zu unseren Freunden und bekamen die Hände immer reichlich gefüllt. Ich möchte hier nur die Namen Isenberg, Hackfeld, Vietor und Kuhlenkampff nennen. Willi Kuhlenkampff begrüßte mich dann, indem er die Uhr zog und sagte: „Herr Schmidt, bitte nur drei Minuten erzählen, wie viel Geld brauchen Sie? 20 Mark, gut, auf Wiedersehen.“ Diese Bettelgänge waren mir oft sehr schwer. Aber ich hielt es doch für wichtig, die reichen Leute auf die Arbeit der Inneren Mission immer wieder aufmerksam zu machen. Besondere Sorgen bereitete uns der Männer-Krankenverein, der die Aufgabe hatte, kranke, nicht arbeitsfähige Männer zu unterstützen, damit ihre Familien nicht in zu große Not gerieten. Diesem Verein wurden monatlich die Gelder von der Inneren Mission bewilligt.

Soweit der Bericht aus der Feder von Philipp Schmidt. Er war 58 Jahre Stadtmissionar an der St. Pauli-Gemeinde in der Neustadt und hat auch im Ruhestand noch viele Jahre das kirchliche und diakonische Leben in Bremen mit geprägt. 1949 konnte er sein 50. Jubiläum im Dienste der Inneren Mission in Bremen feiern, deren Vorstand er viele Jahre angehörte. Er hatte auch ein gewichtiges Wort innerhalb der Bremer Diakonenschaft und der Brüderschaft des Rauhen Hauses in Hamburg mitzureden.

Seine Lebensgeschichte, die er in seinen letzten Jahren aufzeichnete, gibt einen tiefen Einblick in die Geschichte der Bremer Stadtmission und das eng damit verbundene Familienleben der damaligen „Berufsarbeiter der Inneren Mission“, als persönliche Kontakte noch eine entscheidende Rolle spielten. Philipp Schmidt starb am 24. Juli 1957 im gesegneten Alter von 88 Jahren.


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