Hugo Wietholz - Ausbildung - Krieg

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Diakon Hugo Wietholz

Diakonenausbildung im Rauhen Haus und Kriegszeit / Gefangenschaft

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Band 1 - Band 2 - Band 4-1 Alfred Tetens - Band 4-b Anthologie 2015 - Band 5 - Band 6 - Band 11= Diakone RH - Band 15 = neu bearbeitet Band 17 = neu bearbeitet - Band 18 = neu bearbeitet - Band 19 Band 20 Band 21 - Band 22 - Band 26 -  Band 27 - Band 30 Band 31 Band 32 - Band 33 - Band 36 - Band 37 - Band 39 - Band 40 - Band 41  - Band 42 Band 43 - Band 44 - Band 45 - Band 46 - Band 47 = neu bearbeitet Band 48 - Band 58 Band 59 Band 60 - Band 64 - Band 65  = Wichern - Band 68 - Band 69 - Band 70 - Band 71 - Band 73 = Pastoren in Grevesmühlen - Band 76 - Band 78 - Band 79 -

 

Das Rauhe Haus gilt als „Brunnenstube der Inneren Mission“ und ist die Wiedergeburtsstätte des Diakonenamtes in den Kirchen der Reformation nach über tausendjährigem Dornröschenschlaf während der Kirchengeschichte.

Lebensbilder von Diakonen des Rauhen Hauses

das Buch mit Lebensportraits von Diakonen des Rauhen Hauses und anderer Brüderhäuser als

Beitrag in der gelben Buchreihe "Zeitzeugen des Alltags" von Jürgen Ruszkowski

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Johann Hinrich Wichern hatte das Rauhe Haus 1833 als junger Kandidat der Theologie mit Hilfe einflussreicher Hamburger Bürger in dem Dorf Horn vor den Toren Hamburgs aus kleinsten Anfängen als „Rettungshaus“ für gefährdete Kinder und Jugendliche gegründet und aufgebaut. Für seine immer umfangreiher werdende pädagogische Arbeit benötigte er schon bald Gehilfen. Aus dem Kreis dieser Gehilfen entwickelte sich später der Beruf des Diakons.

Im Sommer 1834 zog ein Bäckergeselle, namens Josef Baumgärtner, zu Fuß von Basel nach Hamburg, um Wichern als erster Gehilfe für ein mageres Taschengeld von 100 Mark im Jahr bei freier Kost und Logis als Betreuer einer „Knabenfamilie“ zur Hand zu gehen. Nach drei Jahren übernimmt Baumgärtner ein eigenes neu gegründetes Rettungshaus in Mitau im Kurland. Aus seinen „Gehilfen“, die Wichern aus ganz Deutschland ruft und die ihn bei seiner Erziehungsarbeit im Rauhen Haus unterstützen und von den Jungen der Erziehungsfamilien „Brüder“ genannt werden, baut er den hauptberuflichen Mitarbeiterstab der Inneren Mission auf, die „Berufsarbeiter“, die als Hausväter in „Rettungshäusern“, als Strafvollzugsbetreuer oder als Stadtmissionare in ganz Deutschland und im Ausland bis hin nach Übersee tätig sind.

„Treue, gottesfürchtige Männer, so ernst als wahr, so klug als weise, in der Schrift bewandert, im Glauben gegründet, voll Liebe zum armen Volke, geschickt zu solch einem Umgang, der Menschen fürs Himmelreich gewinnt, wünschen wir in Scharen unter das Volk.“

Erst Jahrzehnte später wird man diese „Gehilfen“ entgegen Wicherns ursprünglichen Vorstellungen Diakone nennen. Bis in die 1970er Jahre sprach man von der männlichen Diakonie. Daneben gab es den Beruf der Diakonisse. Danach wurden Ausbildung und Beruf im Rahmen der allgemein sich durchsetzenden Emanzipation auch für Frauen geöffnet. Aus der Brüderschaft wurde die Brüder- und Schwesternschaft des Rauhen Hauses. Heute bildet die Fachhochschule des Rauhen Hauses in Hamburg Frauen und Männer zu Diplom-Sozialpädagog(inn)en und Diakon(inn)en aus.

3. Teil des von Hugo Wietholz selbst verfassten Textes: Kopien und Veröffentlichungen - auch auszugsweise nur mit vorheriger Genehmigung!

Der Text dieser Seite ist recht interessant, zeitgeschichtlich aufschlussreich und sehr umfangreich. Geplant ist die Herausgabe als eigenständiges Buch und auszugsweise als Beitrag in einem Sammelband von Diakonenlebensläufen. Es wird bis zur endgültigen Fertigstellung noch Monate dauern.

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Diakonenausbildung im Rauhen Haus

Der 31. März 1938 war mein erster Tag im Rauhen Haus.

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Bruder Wörwag machte mit uns einen Rundgang durch die Anstalt. Sonst gab es nur Anweisung zum Schlafen im Haus Tanne in einem Zimmer mit mehreren Anwärtern. Die nächsten Tage brachten für mich den Einsatz bei Arbeiten in der Anstalt. Ich war mit 29 Jahren eingetreten. „Was machen wir mit dem jungen Mann?“ Erst einmal musste ich zu Bruder Düwel, ein beliebtes Haus. Der hatte das Brüderbüro unter sich. Ich bekam den Vertrag zum Eintritt. Bei Austritt wären 3.000 RM fällig. 35 RM für Bücher und Unterhalt meiner Mutter. Was mich wunderte: Es gab keine Betreuung der jungen Brüder. Die zum Teil Älteren hielten sich sehr reserviert.

Wie ging es nun weiter im Rauhen Haus? Immer mehr junge Anwärter kamen. Wir lernen uns kennen, und weil nichts geschah, organisieren wir eine Gruppe. Zwischendurch wurde ich Pförtnerbruder: Telefonzentrale bedienen (stöpseln), Post in die Fächer einordnen, für Führungen Schlüssel fürs alte Haus herausgeben. Weil ich an den Schlüssel kam, gründen wir eine kleine Gruppe, eine Gebetsgemeinschaft. Wir trafen uns vor Arbeitsbeginn im alten Haus (Ruges Hus), in dem Wichern die ersten Anfänge gemacht hatte. Eine Zeitlang ging alles gut mit unserer Gruppe. Dann wurden wir verpfiffen. Es könnte etwas im Sinne des § 175 (damals strafbare Homosexualität) entstehen.

Pastor Wegeleben war der Direktor der Anstalt. Er wohnte in der I. Etage des Wichernhauses. Unten war die Verwaltung, die Pförtnerloge und der Brüdersaal. Ich sprach mit Pastor Wegeleben, um für uns eine Bibelstunde einzurichten. Wir wollen nicht ausbüchsen. Jeden Mittwoch hielt Pastor Wegeleben die Bibelstunde für uns Anwärter im Brüdersaal. Sonnabends wurde mit Öl und Sägespänen der Parkettboden in der Tanne gereinigt. Es war immer noch das Jahr 1938. Ich wurde in der Kanzlei bei Anni Schulz und Frau Esmarch eingesetzt: Akten durchstöbern und ordnen. In der Telefonzentrale hatte ich viel Spaß mit gemachten Anrufen. Wir ärgerten August Füßinger, indem wir seine nuschelige Sprache nachmachten. Am Schalter erlebte ich manchen älteren Bruder. Von Bruderschaft konnte keine Rede sein. Wir jüngeren Anfänger mussten uns schon durchbeißen. In der Anstalt musste ich Laub fegen und Obst pflücken. Dabei fiel ich von der Leiter und verletzte mit die Ferse. Das war noch lange zu spüren. Im Heizungskeller musste ich für die Küche Koks schaufeln. Einmal hatte ich die Post in der Küche zu verteilen und die Küchenmädchen umschwärmten einen wie die Bienen. Frieß kam hinzu: "Aber Bruder Wietholz, das ist verboten! Fräulein Sander holt doch die Post." - Komisches Mädchen.

Abends wurde die ausgehende Post von Pastor Wegeleben von dessen Hausmädchen gebracht. Sie musste frankiert werden. Es war meistens spät abends und dann ergab sich mit der Deern ein Plausch. Sie war ganz hübsch. Den damaligen Idolen entsprechend: blond, blauäugig und schlank. Es muss wohl im Herbst gewesen sein. Irgendeine Fahrt von der Concordia sollte sein. Vorher hatten wir uns zu einem Spaziergang verabredet. Ich wollte sie mal näher kennen lernen, was auch geschah, denn im Laufe des Gesprächs kamen wir auf die Zukunft zu sprechen und sie offenbarte mir, dass sie als braune Schwester zur NSV wollte. Später, zurück von der Fahrt, habe ich ihr eine Karte geschrieben, dass es mit uns nichts werden könne. Wo sie später abgeblieben ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich meine, sie so um 1950 in der Martinskirche gesehen zu haben. Pastor Dubbels war noch nicht verheiratet und wir hatten viele Kanzelschwalben. Nach seiner Heirat waren sie plötzlich weg.

Im Rauhen Haus wurde ich auch zur Nachtwache eingeteilt. Das Wachbuch im Wichernhauskeller, unser Quartier, war eine Sehenswürdigkeit für sich. Was haben die Brüder alles diesem Wachbuch anvertraut. Auch wir waren nicht schüchtern und manchen Vers und Ulk haben wir vom Stapel gelassen. Manchen Ulk haben wir uns auch mit den Haustöchtern erlaubt. In kleinen Gruppen ging man abends noch in die Anstalt. Wir sind zum Wirtschaftsgebäude geschlichen und haben mit Pappnägeln das Schlüsselloch dichtgemacht. Wir hatten unseren Spaß, wenn sie sich nicht helfen konnten und ältere Brüder holten, die ihnen helfen sollten. Ihre Bleibe war oben über Frieß’ Wohnung. Der Hausvater war oft entrüstet, wenn die Brüder ihren Spaß mit den Hausmädchen hatten: Leiter ans Fenster gestellt, die große Glocke vor dem Haus mit Wasser gefüllt als Frost war. Später wurde ein altes Sofa im Teich versenkt. Man glaubte, eine Leiche wäre im Wasser.

Mir wurde aufgetragen, abends mit der Holzknarre das Abendlied am Teich zu singen: „Hört ihr Herren, lasst Euch sagen...“ Zuerst mit Lampenfieber, denn vor den Brüdern wollte man keinen Misston fabrizieren - es wäre eine Blamage gewesen. Aber bei mir hatte man keinen Erfolg. Nur die Hausmädchen machten ihre Sparziergänge zu auffällig - denn, man spielte mit dem Gedanken, sich einen Bruder zu angeln - Ha!

Es war in mancher Hinsicht toll im Rauhen Haus. Nur musste man selbst zur Eigenhilfe greifen. Ein Beispiel: Der Totensonntag stand bevor, da kam mir der Gedanke, ein Laienspiel aufzuführen, was im Rauhen Haus eigentlich unmöglich war, denn die Brüder hatten doch keine Zeit. Wir nahmen uns die Zeit, um das Stück "Gevatter Tod" einzuüben. Dazu brauchten wir ein Mädchen und einen Geigenspieler. Die Haustochter von Pastor Wegeleben durften wir ausleihen und nach langem Suchen war Bruder Ferlau bereit, die Melodie „es ist ein Schnitter, der heißt der Tod“ mit der Geige zu spielen. Im Weinberg (altes Gemäuer mit Saal) wurde das Stück aufgeführt. Wir haben es gewagt, obwohl auch manche die Nase rümpften. Zu Weihnachten hatte ich für die Öffentlichkeit den Adventspruch aufgesagt: „Das Licht scheint in der Finsternis. Aber die Finsternis hatte es nicht begriffen.“ Bruder Noack spielte den Weihnachtsmann und hat dabei Bruder Düwel mit der Rute verdroschen; der aber konnte keinen Spaß vertragen.

1939

Ja, und dann feierten wir den Beginn des Jahres 1939. Im Nachhinein wissen wir, es war ein schicksalschweres Jahr. Unter uns jungen Brüdern hatten sich Freundschaften angebahnt, etwa mit Bruder Bull und Bruder Konopatzki. Der Erstere trat später aus. Von Konopotzki bekam ich nach dem Krieg ein Lebenszeichen. Er war Sekretär im CVJM geworden, und dann riss die Verbindung ab. Bruder Bull hatte Dienst in der Küche. So kam dann auch die Verbindung zu den Mädchen zustande. Dort machte ein Fräulein Gabriel ihr Haushaltsjahr. Am 20.01.1939 sollte auf der Heideburg ein Treffen der Jugend sein mit einem Vortrag von Pastor Wegeleben. An diesem Sonntag hatte ich nun in der Zentrale bis mittags Dienst. Also verabschiedeten wir uns um 14 Uhr im Stormarnweg - Hohle Rönne, Ecke Warendorf (steht heute noch). Vom Rauhen Haus durfte niemand sehen, dass wir uns mit Mädchen trafen. Die eine hatte noch ihre Schwester Emmi für Bruder Bull mitgebracht. Also los ging es mit der Bahn bis Harburg, dann durch den Wald. Wir hatten dabei angeregte Gespräche. Auf der Heideburg nahmen wir am Vortrag teil, später saßen wir in der Sonne. Es war für Januar ein warmer Tag. Vor dem Weg saßen wir in der Heideburg bei einem Heideburggetränk auf dem „berühmten" Sofa, was später nochmals in unserem Blickpunkt auftauchte. Auf dem Heimweg durch den Wald sprang dann der gewisse Funken über. Lisa Gabriel und der junge Bruder Wietholz wussten auf einmal, was los war, und ein paar Tage später kam dann von Lisa das Ja-Wort. Wie auf leisen Sohlen flogen wir förmlich dahin. Bruder Bull und ich gingen vom Berliner Tor zu Fuß ins Rauhe Haus Es war ein Weg der uns zu kurz vorkam. Am Tag später hatten wir uns durch den Verbindungsmann für den 1. Februar 1939 spät abends verabredet. Von uns Brüdern durfte abends keiner das Gelände verlassen. Ich hatte mir noch Maiglöckchen besorgt und abends bin ich dann über das Gitter hinter dem Rauhen Haus geklettert. Wir trafen uns und gingen Hand in Hand durch die Weddestraße. Da kam es dann zu dem berühmten Satz: "Bin ich Ihnen auch genehm?" Die Maiglöckchen und diese Erklärung taten mir das Nächste. Man muss die Lisa , die heute 11 Enkel hat, fragen. Jetzt hatte für uns beide das Rauhe Haus noch einen besonderen Glanz. Es kam vieles auf uns zu. In der Concordia-Hoheluft stellte ich nun mein Mädel vor. Es gab eine Enttäuschung, denn jetzt musste man mich teilen. Aber bei jeder Stunde in Hoheluft begleitete Lisa mich. Meine Mutter hatte mich schon immer gewarnt. "Die Mädel taugen alle nichts", war ihre Behauptung. Später wurde sie aber eines Anderen belehrt. Nicht zu vergessen, ich hatte auch eine 4 Jahre jüngere Schwester, die aber früh ihre eigenen Wege ging, heiratete und später in der Knauerstraße 11e, I. Etage, wohnte.

Dann passierte es, dass ich eines Tages vor unserer Wohnungstür stand, die man versiegelt hatte. Schlüssel musste ich bei der Polizei abholen. Mutter hatte in ihrem schweren Gemütszustand Hitler und Genossen aus dem Fenster rufend beleidigt. Daraufhin wurde sie von einem Nazi angezeigt und abgeholt. Mir wurde gesagt, sie sei in der Anstalt Friedrichsberg. Später kam sie nach Langenhorn und dann nach Pinneberg. Immer unter Aufsicht. Sie wurde mit Medikamenten vollgepumpt, um diese Gemütsanfälle zum Stillstand zu bringen, was aber nicht gelang.

 

Zwischendurch traf Helmut Wittmack, einer unserer neuen Concorden, im Rauhen Haus ein. Mit meinem Mädchen trafen wir uns oft, wenn wir Freizeit hatten. Es wurden Wanderungen an der Elbe entlang gemacht oder in die Heide. Manchmal waren wir auch im Garten, Horner Landstraße 439, wo der Vater von Lisa Mitbesitzer eines Hauses war. Es waren schöne Sommerabende in der Laube. Vom schwarzen Weg hinter dem Grundstück konnte man durch eine Pforte in den Garten gelangen. Natürlich waren die Eltern gespannt, was wohl ihre Tochter da herangeschleppt hatte. Aber noch blieb ich für die Eltern im Dunkeln.

Es gab allerlei Ereignisse in unserem Leben. Abends spät in der Anstalt schrieb ich Nachrichten der Bekennenden Kirche. Besuchte auch Versammlungen bei Pastor Remé in der St. Gertrud-Gemeinde. Zu Ostern erfüllte sich mein Wunsch, ins Seminar DW II - Diakonsklasse zu kommen. Am ersten Schultag hatte ich gleich eine Auseinandersetzung mit zwei Dozenten. Fragen, warum ich kein Abzeichen der Partei trüge. Zwei Stunden lang versuchte man, uns vom Nationalsozialismus zu überzeugen. Unsere Antwort vor ca. 12 Schülern: "Wir sind in der bekennenden Kirche." Dies schlug natürlich wie eine Bombe ein. Eine Dozentin wollte uns klarmachen, dass es ums Rauhe Haus geht. Wir säßen alle in einem Boot! Wir aber nicht! Daraus ergab sich eine Unstimmigkeit unter den Schüler-Brüdern. Ältere wollten austreten. Wir verabredeten am Nachmittag im Blohmspark ein geheimes Treffen, denn im Rauhen Haus waren wir uns nicht sicher genug. Viele der älteren Brüder gehörten ja verschiedenen Parteiorganisationen an. Im Park kam dann eine Aussprache zustande. Manche wollten austreten und nach Moritzburg gehen, was dann auch geschah. Mein Entschluss galt für alle anderen: Durch Weggehen ändern wir nichts. Aushalten, auch unter schwierigen Bedingungen. Es wird die Stunde kommen, wo es wieder anders werden wird. In der nächsten Zeit wurden wir schulwissenschaftlich auf Vordermann gebracht. Hier nahm sich Bruder Germer viel Zeit. Wir profitierten von dem, was er uns mitgab, doch eine ganze Menge. Von der Wichernschule tauchte auch ein Lehrer auf, der für Biologie zuständig war, aber auch SS-Mann war. Er versuchte, uns mit seiner Kollegin zu beeinflussen und erreichte das Gegenteil. Bei den Auseinandersetzungen ging es hart her und in der I. Etage lagen Füßinger und Jahnke aus dem Fenster und hörten mit. Man wagte aber nicht, uns zur Rede zu stellen, sondern suchte wohl einen Ausweg. Habe mit den verantwortlichen Leuten verhandelt, um 14 Tage Urlaub zu bekommen, um nach Borkum ins Bibellager zu fahren. Dies wurde von der RH-Leitung genehmigt. Nun sollte auch Lisa mit. Das Hindernis waren die Eltern. Flugs kaufte ich einen Blumenstrauß und besuchte Lisas Eltern. Stellte mich als Diakonsschüler des Rauhen Hauses vor und betörte die Mutter mit meinem nicht vorhandenen Charme. Immerhin, nach langem "Wenn und Aber", bekamen wir die Genehmigung gemeinsam zu fahren. Hoffentlich bekommen sie ihre Tochter heil wieder. Wir sind vom Hauptbahnhof Richtung Bremen mit dem Zug gefahren. Unsere Fahrräder hatten wir aufgegeben. Ab Bremen ging es per Pedes nach Apen ins Pfarrhaus. Pastor Stöver und Frau nahmen uns herzlich auf. Es sollte der letzte Besuch sein. Später hörten wir, das Pfarrhaus sei von einer Bombe vernichtet worden. Eigentlich lag es ganz abseits von Emden. Des Pfarrers Auslegung des Alten Testaments war immer auf die bedrohte Zeit durch Hitler ausgelegt. Von Emden fuhren wir mit der Fähre nach Borkum. Ein Foto zeigt Lisa beim Schreiben auf dem Schiff. Das Heim des Jungmänner-Verbandes Deutschland hieß Waterdelle. Wir verlebten schöne Tage der Gemeinsamkeit mit den jungen Leuten, die aus ganz Deutschland gekommen waren. Paul le Seur hielt uns in den Dünen die Bibelarbeit, die immer sehr ergiebig war. Unser Glaube bekam sehr viel Stärkung. Bei einer Stunde klang so etwas von einem Ahnen durch, dass die kommende Zeit schwierig werden könnte. Wir erleben unsere Ferienfreuden. Viel Baden, Bootsausfahrten, Besichtigung von Borkum. Suchten die Häuser der ehemaligen Walfänger, deren Gartenzäune mit Walknochen bespickt sind. Die Freizeit ging zu Ende und wir fuhren mit dem Rad durch Friesland. Übernachteten auf einem Bauernhof. Von dort ging es am anderen Morgen nach Bremerhaven zu der Familie von Großmutter Hinzes Stiefschwester. Am nächsten Tag besuchten wir den Sohn des Pfarrer v. Busch. Es war ein herrlicher Tag. Keiner ahnte, dass wir mit den Senioren des Rauhen Hauses ca. 40 Jahre später Ringstedt nochmals aufsuchen würden. Der Pastor dort hielt uns in der Dorfkirche die Abendandacht. Vorher hatten wir den alten Busch gefunden und besucht. Er erinnerte sich an die Gabriels. Von Ringstedt ging es, mit großer Mühe für Lisa, mit dem Rad weiter nach Moisburg. Wir schliefen sehr primitiv in Pastor Schwiegers Jugendheim. Von dort fuhren wir dann nach Hamburg. Ich ging ins Rauhe Haus und Lisa zu den Eltern.

Ich wurrde jetzt mal in jeder RH-Familie eingesetzt. Haus Eiche bei Bruder Fahrni, dann im Köcher bei den Lehrlingen. Morgens hieß es früh aufstehen. Auf Widerruf war ich bei Bruder Noack im Bienenkorb. Im Rauhen Haus war der Kampf der Diakone entbrannt. Ackermann, aus der Wichernschule, strammer Parteigenosse der Nazis im Bund mit der NSDAP-Kreisleitung aus Blohmspark. Wegeleben war kurz vor dem Weggang.

Lisa und ich wollten uns bald verloben. Wir wurden gebeten, im Rauhen Haus die Ringe nicht öffentlich zu tragen. Ältere Brüder könnten Anstoß daran nehmen. Blöd, aber so war es im Rauhen Haus: Keine Bräute während er Ausbildung. Pastor Wegeleben hatte man hinausgegrault und ein neuer Direktor kam: Pastor Donndorf, der nun den Kampf mit Ackermann aufnehmen musste. Eines Tages war es dann soweit, alle Familienleiter und Gehilfen mussten zu einer Versammlung, wo hohe Tiere der Partei dabei waren. Man musste sich entscheiden: Das alte Rauhe Haus mit seiner Erziehungsmethode fliegt auf oder es wird eine SS-Heimschule. Das Personal wollte man mit übernehmen. Ich hatte zu der Zeit Dienst in der Zentrale und wartete auf eine richtige Entscheidung. Erziehungsarbeit im Rauhen Haus aufgeben, war meine Parole. Bruder Helmut Wittmack kam zu mir in die Zentrale und berichtete. Unter dem Druck von Ackermann und dem Kreisleiter hatte man sich für die SS-Heimschule entschieden. Helmut berichtete: Ackermann hätte gesagt, Christen und Nationalisten seien ja dasselbe. Darauf Helmut Wittnack: „Die sind wie Feuer und Wasser." Darauf Ackermann: Er wolle es nicht gehört haben. Nächstes Mal werde er ihn anzeigen. Wir aber waren von der Entscheidung bedient. Die Führung des Rauhen Hauses hatte kein Rückgrat gezeigt. Aber was für ein Wunder: Der Direktor Engelke wurde ja bei Reichsbischof Müller Reichsvikar. Zwischendurch hatten wir in der Stadthalle in Harburg den Reichsbischof erlebt. Armer Mann, schweißwischend stand er am Rednerpult, seine Leibwache der SA als Saalschutz. Er, der Bischof, legte das Gleichnis vom verlorenen Sohn aus und zeigte auf Gott, holte auch den verlorenen Sohn heim, den Christus. Hier aber irrt dieser Reibi, wie wir ihn nannten, denn die ausgebreiteten Arme des Vaters sind ja Jesu Arme, denn nur durch ihn geht der Weg zum Vater. „Ich“, spricht Jesus, „bin der Weg und die Wahrheit. Niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“ Weil die Nazis Jesus als Juden ablehnten, musste man solche Auslegung bei den Deutschen Christen machen.

Im Rauhen Haus passierte viel Kleinkram. Von der Küche wurde ich zum Schlachtfest eingeladen. Mit Lisa machte ich abends viele Spaziergänge. Trotz Verbot! Der 1. September 1939 kam, und Hitler ging zum Angriff auf Polen über. Vorher hatte er einen Vertrag mit Stalin abgeschlossen, der viel Staub aufwirbelte in der Welt. Man hatte halb Polen an Russland verschachert und die andere Hälfte nahm sich Hitler. Die Baltenstädte gingen auch an Russland, ohne diese Völker zu fragen. Womit Hitler nicht gerechnet hatte: Frankreich und England erklärten Hitler den Krieg. Jetzt hatten wir den Salat. Hitler vereinnahmte sich schon vorher Staaten wie Österreich und die Tschechei. Im Blitzkrieg war Polen niedergeworfen. Wegen meines Magenleidens war ich auf der Krankenstation, wo ein alter Herr mit mir aß. Als er die Siegesfanfaren über Polen hörte, sagte er uns: „Was ist schon von Polen zu holen, als ein paar Stiefel ohne Sohlen.“ Dies habe ich nicht vergessen können, denn er sollte nur recht haben mit diesem Ausspruch. Unsere Klasse wurde bald aufgelöst. Viele Brüder wurden eingezogen. Wir halfen uns, wie wir nur konnten, in der Familie.

Im November 1939 bekam ich den Marschbefehl, zum Kattendorfer Hof bei Kaltenkirchen zu ziehen. Dort regierte Bruder Graul, zu dem ich nie ein gutes Verhältnis bekam. Bevor ich das Schweizerhaus mit den Zöglingen übernahm, gab er Arbeitsanweisung, in der Erziehung habe nur er das Recht der Züchtigung. Nun wurden bei uns ja auch Brüder von Zöglingen verprügelt. Dies Glück wollte ich mir ersparen und regierte im Schweizerhaus so mit den Zöglingen, dass wir ganz gut miteinander auskamen. Einmal bekam ein ganz fieser Bursche doch mal eine Tracht Prügel, weil er etwas geklaut hatte, was er nicht wieder hergeben wollte. Die gestohlene Uhr fanden wir aber in einem Lampenschirm. Einmal holte ich einen Zögling bei Rendsburg ab, der ausgekniffen war. Man musste schon höllisch aufpassen, dass er unterwegs nicht wieder abhaute.

Wir arbeiteten auf dem Feld und mussten Mist ausstreuen. Im Winter wurde in der Scheune gedroschen. Es gab auf dem Hof immer etwas zu tun. Vom Rauhen Haus kamen hierher die schwierigsten Jungen.

Weihnachten hatte ich Urlaub und konnte bei Gabriels schlafen. Das Fest verlebte ich dort in der Familie. Lisas Großmutter in Billstedt lernte ich dabei auch noch kennen. Es ging zurück auf den Kattenhof, den Bruder Graul mit Erfolg gegen die Eingliederung verteidigte. Plötzlich kam der gefürchtete Musterungsbefehl. Ab nach Kaltenkirchen: Untersuchung, und es hieß: KV, d.h. kriegsverwendungsfähig. Was lag nun wieder in der Luft? Hatte dieser Blödmann, oberster Kriegsherr Hitler, schon wieder was neues im Sinn?

1940

Der Winter war nicht sehr streng; Eis und Schnee gab es, aber man konnte damit zurechtkommen. Ab und zu gab es Wochenendurlaub. Dabei sprachen Lisa und ich uns ab, es möge zu Ostern 1940 zu einer Verlobung kommen. Erst einmal mussten die Eltern gefragt werden. So gab ich mir nach altem Brauch einen Ruck und bat die Eltern um die Hand ihrer Tochter Lisa. Weil ich kein unbeschriebenes Blatt für die Eltern war, konnte man schon ja sagen, auch wenn meine finanziellen Verhältnisse gleich null waren. Die Ausbildung war ja noch nicht abgeschlossen, immerhin war ich Diakonsschüler. Man lache uns deshalb nicht aus. Auch später auf unserer Heiratsurkunde ist dies so vermerkt. Warum? Gründe kamen Jahre danach. Also, die Verlobungsfeier wurde auf den 24.03.1940 gelegt, vorher wurden die Ringe angeprobt und bestellt. Mein Freundschaftsring mit dem Kreuz wurde eingeschmolzen und mit einer Zugabe von Gold oder allerlei Ringen wurden die Ringe von Onkel Paul, der Goldschmied war, hergestellt. Das eingeschmolzene Kreuz hat später immer in unserer Ehe die entscheidende Rolle gespielt.

Zu Ostern bekam ich vom Kattenhofer Hof Urlaub und mit unserem Kirchengang zur Martinskirche begann die Feier. Lisa hatte noch vorher bis in die Nacht Kuchen gebacken. Dabei habe ich versucht zu helfen und bei dem Ausstechen der Pasteten ein Glas zerbrochen. Zu Mittag gab es ein gutes Essen und Wein. Viele Tanten und Onkel waren gekommen, um dem jungen Paar und den Eltern zu gratulieren. Von meiner Seite konnte leider keiner kommen, dafür von Lisas Seite so reichlich, dass ich durch diese große Verwandtschaft nicht durchsteigen konnte. Wenn man mir Zeit lässt, würde ich es auch mal schaffen, damit zurecht zu kommen.

Wehrdienst im Krieg

Der Alltag kam wieder und womit jeder Mann rechnen musste: Natürlich kam prompt der Einberufungsbefehl. Immerhin hatte ich Glück, denn nun hieß es, am 6.05.1940, 18.00 Uhr, sich in der Böhm-Kaserne einzufinden. Bevor es los ging, waren mir noch ein paar Tage im Rauhen Haus vergönnt. Viele Brüder fehlten, andere protzten mit ihren Offiziersuniformen. Mir selber war es alles schnuppe: Hoffentlich ging diese ganze Chose bald vorüber. Wir aber sollten uns täuschen. Hitler ließ Norwegen und Dänemark besetzen und wer ahnte dies: Am 10. Mai ging der Feldzug gegen Frankreich los, darum die vielen Einberufungen. Der Emil Hitler brauchte Kanonenfutter. Natürlich blieb für uns kleine Leute vieles im Dunkeln. Wir, als frisch gebackene Verlobte, kosteten die Zeit bis zur Einberufung aus. Manchen Abend saßen wir in der Laube und sprachen über unserer gemeinsames Leben und was wohl werden würde. Hoffentlich ging alles bald vorüber. Wer ahnte aber, was in der Zukunft noch alles auf uns zukommen sollte. Unser Spruch war damals: „Der Herr ist unser Meister, er ist unser König und wird alles herrlich hinausführen.“ Wir aber haben es auf unser kleines Leben hin ausgelegt, auch wenn es heilsgeschichtlich auf das Evangelium von Jesus Christus hinführt. Wir aber hatten den Mut, uns mit einzuschließen. Im Rückblick auf unser beider Leben ist es tatsächlich zu der wunderbarsten Führung gekommen.

Also, der besagte 6.05.1940 kam heran, abends um 18.00 Uhr musste ich mich stellen und Lisa brachte mich ans Kasernentor. Punkt 18.00 Uhr überschritt ich die Grenze vom Zivilisten zum Soldaten. Es war ein tränenreicher Abschied, aber ich war ja in Hamburg und Ausgang würde es ja wohl auch geben.

Wir bekamen unsere Stuben zugewiesen. Es waren etwas über 100 Mann. Ein Oberfeldwebel hatte das Sagen und es wurde nach den Berufen gefragt. Noch waren wir in Zivil. Als die Reihe an mich kam, konnte ich doch nicht Diakonschüler sagen. Hätte man auch nicht verstanden und es wäre nur ein Lächeln auf der Strecke geblieben. So kam dann meine Antwort ganz kühn: "Schmalspur-Theologe". Immerhin wurde ich auch bei einem Kameradschaftsabend respektiert. Der Feldwebel verlangte, dass keine zweideutigen Witze vom Stapel gelassen werden. Erst einmal wurden wir eingekleidet. Dann kam die Grundausbildung auf dem Kasernenhof, immer noch mal. Erste Bedingung war, dass man vorschriftsmäßig grüßen konnte.

Gut vier Wochen waren wir eingesperrt. Zwischendurch besuchte mich Lisa, die mit dem Fahrrad kam. Der 10. Mai brachte den Angriff auf Frankreich mit der furchtbaren Bombardierung auf Rotterdam. Hitler musste der Welt zeigen, was er für ein Feldherr war. Seine Generäle brachten das Kunststück fertig, die unterirdische Maginotlinie zu knacken, am 22. Mai war der Feldzug beendet und Hitler ließ sich in Paris und Berlin triumphal feiern.

Wir aber befanden uns nun in der Ausbildung, wurden zu einem Kompanietrupp zusammengestellt. Mussten lernen, Leitungen zu verlegen und mit dem Feldfernsprecher umzugehen. Wir waren ein guter Trupp von Kameraden, mussten im Gebäude viel Strippen ziehen. Zwischendurch gab es auch Ausgang bis 24.00 Uhr abends. Hatte mein Fahrrad zur Kaserne mitgenommen und bin so manchen Abend zu meiner Braut geradelt.

Der Frankreichfeldzug war vorüber, aber was sollte wohl nun mit unserem Bataillon werden? Plötzlich kam der Befehl, dass der ganze Verein in Wandsbek verladen werden sollte, was dann mit allen Geräten auch geschah. Vorher gab es noch einen Abschied und dann ging es in die Güterwagen. Wohin? Von hintenherum hieß es: Munsterlager, zur weiteren Ausbildung, oder? Wir fuhren an Bergen und Munster vorbei. Immer weiter nach Osten, über Warschau bis in das Nest Groscheck, wo wir in eine polnische Kaserne klamen, der man den Namen "Hanseaten-Kaserne" gegeben hatte. Hier wurde zunächst die Ausbildung weiter betrieben. Das Gerücht verbreitete sich, wir sollten nach Rumänien, die Ölfelder bewachen. Aber es kam alles anders.

Zwischendurch war ich mal kurz in Warschau gewesen, hatte auf einer Brücke gestanden und in die Weichsel gespuckt.

Eines Tages bekamen ich und einige Kameraden einen heftigen Durchfall. Es blieb nicht einigen mit dem Durchfall, das ganze Bataillon wurde davon befallen. Schuld hatte der Koch, der ungekochtes Wasser in den Kaffee geschüttet hatte. Es wurde so schlimm, dass der Befehl kam, den ganzen Verein wieder zu verladen, und ab ging es. Aber wohin, war die bange Frage. Wir rollten und rollten gen Westen. Sollte es doch noch Munsterlager werden? Bei den Soldaten war es wegen seiner harten Ausbildung gefürchtet. Wir aber rollten an Bergen und Munster vorbei und, o Wunder, landeten wieder in Wandsbek. Da lud man dann in aller Eile aus und wir bezogen unsere alte Kaserne wieder. Für mich war dies ein Wunder. Warum so?

Natürlich ließen wir uns alle schnell einen Urlaubsschein geben und es wurde in der Familie Gabriel ein Wiedersehen gefeiert. Eintönig ging der Betrieb in der Kaserne dahin. Der Krieg mit Frankreich war beendet und was sollten die Soldaten nach ihrer Ausbildung in der Kaserne nun machen? Tag für Tag wurden etliche zu anderen Einheiten abkommandiert. Eines Nachmittags wurde mein Name von dem UvD - Unteroffizier vom Dienst - gerufen: "Wietholz, sofort zur Schreibstube." Was hat denn das zu bedeuten, war meine innerste Frage. In der Schreibstube führte dann der Spieß - Hauptfeldwebel - folgendes Gespräch mit mir: "Hier liegt ein Antrag vor vom Oberpfarrer Hunzinger, Hamburg. Sie sollen zur Kriegslazarettabteilung 446 zu einem Pfarrer versetzt werden." Was bedeute denn so etwas? Solche Versetzung ist dem Spieß wohl noch nicht unter die Hände gekommen. Seine Frage: "Was sollen sie denn tun?" Ich hatte auch keine Ahnung, aber beim Militär darf man sich keine Blöße geben. Also flugs kam meine Antwort: "Dem Pfarrer im Lazarett helfen und da sind bestimmt noch andere Dienste zu tun." Er, der Spieß, gab sich zufrieden. Sein Befehl war, dass ich in einer Stunde feldmarschmäßig auf der Schreibstube zu erscheinen habe, um die Papiere entgegenzunehmen. Melden auf der Feldkommandantur Brüssel und dort würde ich weitergeleitet. In Windeseile wurden die Sachen gepackt und sich dann von den Kameraden und der Einheit verabschiedet, die ich nie wiedersehen sollte.

Lisa befand sich im Abendroth-Haus als Wirtschaftsleiterin, hatte aber eine Entzündung am Fuß. Ein böses Geschwür. Auf einem Zimmer in diesem Haus waren wir beieinander und nahmen Abschied in der Hoffnung, dass ich bald wieder in Hamburg sein würde. Dass ich diese Reise machen musste, verdankte ich dem Oberpfarrer Hunzinger, der vom Rauhen Haus Adressen von Diakonen erfragte, die noch keine Feldpostnummern hatten. Von Brüssel wurde ich in ein kleines Dorf in Nordfrankreich geschickt und hatte mich beim Stab der Feldlazarettabteilung zu melden. Dieser schickte mich nach St. Pol, wo in einem größeren Gebäude die Lazarettabteilung untergebracht war. Man ließ mich auf einem Zimmer warten. In der Zwischenzeit war noch ein Diakon mit Namen Morlack eingetroffen. Später kamen zwei evangelische Pfarrer. Wir durften wählen. Ich entschied mich für den Pastor Werner, einen Schwaben aus Tübingen. Wir passten prima zusammen. Er war von unersättlichem Tatendrang. Wir hatten den Auftrag Truppenteile zu besuchen, Gottesdienst anzubieten und Gespräche mit den Offizieren zu führen.


Gut fand ich, dass wir auch Schriften christlichen Inhalts, die auf die Fragen des Menschen eingingen, Probleme des Alleinseins, von Frau und Familie, verteilten konnten. Eine Schrift ist mir noch gut in Erinnerung : "Thema Nr. 1" von Manfred Müller. Es war schon notwendig, diese Schriften zu verteilen, denn die Versuchung war groß, sich mit den jungen Französinnen einzulassen.

Einmal waren wir früh morgens bei einer Bäckerabteilung und mein Chef stand auf einem erhöhten Platz und sprach zu den Soldaten. Er, Pfarrer Werner, hatte eine gute Art, die Kumpels anzusprechen. Er war ja im Range eines Majors, war im 1. Weltkrieg schon dabei gewesen, hatte das Verwundetenabzeichen und das Eiserne Kreuz. Bei ihm war kein Hochmut zu finden. Manchmal beneidete er mich als einfachen Soldaten, man komme so noch besser an die Kameraden heran.

Unsere Abteilung saß auf den nicht ausgepackten Geräten. Wir hörten, dass wir eigentlich wohl bei der 5. Welle mit über den Kanal nach England hüpfen sollten. Wohl übte man am Kanal mit Booten, aber man gab es später auf. Unser Stab und die Kriegslazarettabteilung wurde nach Paris verlegt, wo wir in einem Krankenhaus eine Weile Dienst machten. Ganz plötzlich kam der Befehl: Ab nach Beauvais. Von der dortigen Kommandantur wurde uns eine Villa zugewiesen. Wir hätten das ganze Haus nehmen können, aber wir gaben uns mit der oberen Etage zufrieden, die alten Leute durften unten wohnen bleiben. Wir hatten ein gutes Verhältnis zu ihnen, wenn es ihnen auch schwer fiel. Die Franzosen hatten nämlich Freiburg ganz plötzlich bombardiert und dafür wurde Beauvais von den Deutschen in Schutt und Asche verwandelt. Nur die halbfertige Kathedrale und die Außenbezirke blieben bestehen. Hier wurde uns zur Einquartierung ein katholischer Kriegspfarrer, Pfarrer Winter, und sein Küster beigegeben. Den Namen des Küsters habe ich gut behalten, er war von Beruf schon Kaplan und hieß Gerhardi, ein ganz kluger Kopf. Er konnte mehr als sein Chef. Aber im Krieg verdreht die Rangordnung wohl oft manches.

Wir bekamen noch einen PKW und einen Fahrer mit Namen Röhrs, ein ganz patenter Kerl. Zum Fahren gab es Benzingutscheine und einen Ausweis und Fahrtenbuch. Wir mussten nachweisen, wohin wir fuhren und wie viel Sprit verbraucht wurde.

Wir haben den Feldgendarmen manchen Streich gespielt. Wer wollte es uns verbieten nach Paris zu fahren zu einer Besprechung beim Oberpfarrer Damrath. Dabei übernachteten wir in tollen Hotels für eine Nacht. Mein Chef, der die französische Sprache gut konnte, zeigte mir Paris, was ihm selbst Spaß machte. Wir aßen in guten Restaurants und tranken von den besten Weinen und ich lernte die Weinsorten kennen. Da mein Chef auch eine Familie hatte, wurden natürlich Stoffe und Wolle eingekauft. Alles wurde aber mit dem Sold, den wir Soldaten bekamen (in France) schön bezahlt. Da Pfarrer Werner wusste, dass ich verlobt war, machte er mir Mut, im Kaufhaus Lavalette für meine Braut alles, was eine Frau so braucht, Stoffe fürs Brautkleid, Unterwäsche, Strümpfe und Schuhe, zu kaufen und bald nach Hause zu schicken. Zu Hause gab es ja alles nur noch auf Marken. Natürlich war die Freude zu Hause groß, als im ich Urlaub mit einem großen Paket ankam. Nun wollen wir aber nicht von diesen angenehmen Dingen schwärmen, es gab auch viel Arbeit bei den einzelnen Kompanien, die im Lande verstreut waren. Tage vorher wurden Plakate mit der Ankündigung des Gottesdienstes ausgehängt. Tüchtig eingeladen werden musste schon. Mit dem katholischen Pfarrer wurde verhandelt, da wir zum Gottesdienst die Kirche brauchten. Von einer Gemeinsamkeit war nichts vorhanden. Nach dem Gottesdienst wurde der Geruch der Kerze mit Weihrauch wieder ausgetrieben. Natürlich hatten es die Priester schwer. Klein war die Gemeinde und sie musste ihren Pfarrer auch ernähren. Mancher Talar sah auch danach aus.

Von der Heeresleitung aus war es uns verboten, die Fliegerhorste zu besuchen. Der General Milch, dieser Heini, hatte jegliche Betreuung untersagt. Auch der Arbeitsdienst, der in unserer Nähe lag, durfte nicht besucht werden. Wir aber kehrten uns einen Dreck darum. Den Fliegerhorst fanden wir bei Meru und nahmen mit dem Kommandanten Kontakt auf. Gespräche wurden geführt und ein Gottesdienst gehalten. Es waren alles Piloten, zum Teil mit Ritterkreuz, die Einsätze nach England flogen. Die meisten von ihnen kamen bei gründlicher Abwehr durch die Engländer nicht wieder.

Bei der Arbeitsdienststelle herrschte eine ganz miese Moral. Schon ihre Lieder, wenn sie in Marschkolonnen durch die Gegend zogen, zeugten davon. Kamen sie ja meistens aus der Hitlerjugend und waren vollgepackt mit der NS-Idiologie. Das war der Wille dieser jungen Mannschaft. Im Lied kam es zum Ausdruck: "Wir werden weiter marschieren, wenn alles in Scherben fällt. Heute gehört uns Deutschland, morgen die ganze Welt." Da konnte man ja auf allerhand gefasst sein.

Nun, für die Zukunft dämmerte schon einiges. Weihnachten hatte ich Glück, Urlaub zu bekommen und konnte auch einiges mitbringen: Wein und etwas Schokolade, Wolle und Leinentuch. Das Fest wurde recht nett bei den Schwiegereltern gefeiert. Lisa und ich hatten ein paar Tage zusammen und dann war bald die Herrlichkeit dahin.

1941

Im Januar 1941 saßen wir in einem Soldatenkreis bei uns in der Wohnung in Beauvais. Außer Soldaten waren auch Offiziere dabei. Nach der Bibelarbeit ging das Gespräch so hin und her. Einer der Offiziere meinte, es gingen im Augenblick viele Transporte an die Ostgrenze. Wenn das nicht gegen Russland gerichtet sei. Ich erhob meine Stimme und sage: "Wenn das gegen Russland geht, ist der Krieg für uns verloren." Eine Frage von meinem Gegenüber: "Wer sind sie?" "Ich bin Diakon des Rauhen Hauses." "Sie meinten wohl Braunes Haus." So wurde das Rauhe Haus von christlichen Offizieren eingeschätzt. Vergessen konnte ich diesen Soldatenkreis nicht. Ob da wohl welche vom Widerstand dabei waren?

Der Alltag ging weiter. Wir besuchten die Truppenverbände, die noch in Frankreich lagen. In der Nähe war eine Fliegerkaserne, die wir mit unserem Besuch heimsuchten. Unser Radius der Fahrten war sehr groß. Eines Tages fuhren wir nach Verdun, um im Lazarett unseren Dienst zu tun. Es waren mehrere Säle mit Kranken belegt. In einer dieser Krankenstuben bat ein Kranker meinen Chef, den Kameraden mal ein reinigendes Wort zu sagen. Es gab unter so vielen Soldaten immer sogenannte Wichtigtuer, und hier war wohl einer, der sich durch sumpfige Witze hervortat. Nun, Pfarrer Werner brachte ein paar kräftige Sätze und die Sauerei war beendet. Mir gab er die Anweisung, den zweiten Saal zu betreuen. Mein Widerspruch: "So was habe ich noch nie gemacht", fruchtete nicht. Dann man los und das Herz fest in die Hand. Die Aufgabe war, von Bett zu Bett zu gehen und mit den Kranken zu sprechen und hie und da etwas zum Lesen dazulassen. Zuerst war es mir komisch, auch mit Offizieren zu sprechen. Aber mit der Zeit wuchs ich immer mehr mit den Aufgaben.

Auch Gottesdienste wurden hier in Verdun abgehalten. Mir kam oft der Gedanke, was wohl die Soldaten vom 1. Weltkrieg dazu gesagt hätten. Denn Verdun und das Fort France waren hart umkämpft gewesen. Wir besuchten auch die Schlachtfelder von 1914/18. Pfarrer Werner zeigte mir an der Somme die Stelle, wo Weihnachten 1914 sein Freund gefallen war. Der Heldenfriedhof am Doumont, mit allein 14.000 Gräbern, war ein trauriges Bild für den Beobachter. Oben auf der Höhe stand ein Denkmal als Ruhmeshalle für alle Regimenter, die hier siegesreich gekämpft und verblutet waren. Im Keller befand sich eine Gebeinkammer. Immer noch trugt man die gefundenen Gebeine hier zusammen. Ein mächtiger Haufen zusammengetragener französischer, amerikanischer, marokkanischer und deutscher Knochen, alles friedlich beieinander. Das Denkmal hatte einen Turm als Leuchtturm. Dieser war als Mahnmal an den furchtbaren Krieg gedacht. Noch kurz vor dem 2. Weltkrieg schworen hier ehemalige deutsche und französische Kriegsveteranen: "Nie wieder Krieg!" Welch eine Ironie! Wir besichtigten weiter aufgestellte Kriegsdenkmäler. Wir waren am Bajonettgraben, in dem verschüttete französische Soldaten aufrecht mit ihren Gewehren standen. Die Höhe "Toter Mann" wurde besichtigt, eine hart umkämpfte Höhe, die immer den Besitzer gewechselt hat.

Verschiedene Denkmäler gaben Auskunft über die Taten der Soldaten. Ein angeschlagener Löwe deutete an, bis hierher sind die Deutschen gekommen. Ein Denkmal, worauf mein Chef mich aufmerksam machte, war mit einem Holzverschlag versehen. Hier hatten die Nazis Geschichtsverfälschung getrieben. Dieses Mal erinnerte an alle Juden, die im 1. Weltkrieg für Deutschland gefallen waren. Schämen sollte die Bande der Nazis sich, Lügen zu verbreiten, die Juden wären ein verschlamptes Volk, was nicht fähig wäre zu kämpfen! Man musste ja die Geschichte verdrehen, damit sie ihrer Weltanschauung entsprach.


Der 22. Juni 1941 nahte heran, es war ein Sonntag und wir hielten an diesem heißen Sommertag in einem französischen Dorf bei einer Truppeneinheit Gottesdienst ab, als nach dem Gottesdienst die Nachricht durchkam, Hitler hätte tatsächlich den Angriff auf Russland gewagt. Dieser Idiot, er, der große Feldherr aller Zeiten. Na, was uns wohl nun noch alles erwarten würde. Erst einmal machten wir unseren Dienst weiter, auch wenn immer mehr Truppen aus Frankreich abgezogen wurden.

Zwischendurch besichtigten wir auch mal die Kathedrale in Amiens, ein herrlicher Bau, wohl eines der schönsten Bauwerke in Frankreich. Diese Kathedrale hatte irgend eine Beziehung zu der halbfertigen Kathedrale in Beauvais. Die Bauleute in Beauvais hatten den Ehrgeiz, ihre Kathedrale sollte höher werden als die in Amiens, nur hatte man nicht mit dem Untergrund gerechnet. Der war nicht tragfähig. So musste man im Bau mit dem Chor aufhören und so steht sie noch heute da. Oben auf dem Dach hatte man einen Turmreiter mit einer Glocke gesetzt, die einen silberhellen Klang hatte.

Weihnachten kam wieder heran und nochmals durfte ich in den Urlaub fahren. Es waren schöne Tage mit dem Beigeschmack, dass Mutter in einer Anstalt war, wo wir sie oft besuchten. Leider konnte sie in ihrem Zustand mit uns nicht viel anfangen.

1942

In der Zwischenzeit musste ein Wechsel geschehen. Bekam einen neuen Kriegspfarrer namens Tauber und wurde nach Charlesville beordert. Von der dortigen Feldkommandantur bekamen wir, mit einem katholischen Pfarrer und einem Küster, eine Villa zugewiesen. Der Küster hieß Franz Lammersdorf und kam auch aus Hamburg. Im Haus war ein Billardtisch, an dem wir uns in den freien Stunden vergnügten. Auch hier fuhren wir über Land, meistens ging mein Chef zu den Bauern und kaufte Butter, die dann an seine Familie mit 4 Töchtern verschickt wurde. Hier in Charleville wurden Gottesdienste gehalten, zu denen der General von Stülpnagel oft kam. Später bei dem Aufstand gegen Hitler hatte der sich mit einem Schuss aus seiner Pistole unglücklich verletzt, so dass er das Augenlicht einbüßte. Ich glaube, bei dem Aufstand ist er auch ums Leben gekommen.

Am 18. Januar 1942 trat Amerika in den Krieg, und man fing an, in Deutschland die Städte zu bombardieren. Dies war erst der Anfang, es sollte noch grausiger kommen. Der Verbrecher glaubt immer noch an seinen Sieg. Damit die Moral der Truppe nicht sinkt, wurden im Theater von Charleville Vorträge gehalten, wozu die vorhandenen Einheiten abkommandiert wurden.

Am 23.1.42 hatte man Kriegspfarrer Tauber ausersehen, über die Kriegsherren der deutschen Geschichte zu erzählen und den Gottesglauben der Soldaten. Es kamen viele, viele große Männer im Vortrag vor, nur einen hatte er nicht erwähnt - Hitler. Was mir natürlich unsagbar wohl tat. Abends bei einem Gespräch war mein Chef ganz unglücklich über seinen Fehler. Wahrscheinlich wurden ihm auch von den 150%igen Nazi-Offizieren Vorwürfe gemacht. Nun, ich habe ihn getröstet, er solle es nicht so tragisch nehmen. Vielmehr hat mich an dieser ganzen Vorstellung gestört, dass er als Pfarrer kein Bekenntnis zu Jesus Christus abgelegt hat, der unser aller Heil und Erlöser ist.

Versuche, in meiner freien Zeit Harmonium spielen zu lernen. Habe nur ein mäßiges Talent. Bei den Wehrmachtshelferinnen gabelt der Chef eine auf, die spielen kann. Ihr Name ist Fräulein Schäfer, mit der er auch in seiner freien Zeit herumzieht. Macht auf die Kameraden keinen guten Eindruck. Die sagen es mir auch. An einem Abend habe ich deshalb mit meinem Chef eine scharfe Aussprache. Er ist immer gleich "auf derPalme". Nun, von mir bekommt er zu hören: "Wir sollten keinen Anlass zu Ärgernissen geben." Auch sage ich ihm: "Stellen sie man den Offizier in den Schrank." "Will ich nicht gehört haben. Lasse sie versetzen", antwortet er. "Bitte, tun sie, was sie nicht lassen können", ist meine Reaktion. Die Soldaten haben es immerhin sehr schwer bei den Versuchungen durch die Frauen, die sich in solcher Zeit anbieten.

Als Reinemachefrau haben wir eine Französin, die unserem Kraftfahrer Georg eines Tages zum Fall wird. Aus diesem Verhältnis kommt es zu einer Schwangerschaft, die den Georg ins Gefängnis bringt, weil er die Frau zur Abtreibung nach Namur geschickt hatte. Auch hätte er sich mit einer "Feindin" eingelassen. Der Georg war ein schwieriger Mann, der auch über den Alten, wie er den Chef nannte, Stein und Bein schimpfte. Eines musste man dem "Alten" lassen, im Gefängnis hat er den Georg oft besucht.

Manchmal wurde der katholische Pfarrer zur Erschießung von Partisanen beordert. Später kamen ihre Frauen zu uns und ließen sich das Sterbekreuz von ihrem Mann aushändigen.

Plötzlich bekam ich einen inhaltsschweren Brief: Lisa berichtete von einer Vorladung bei der Gestapo in Hamburg. Es ging um ein Papier über die neue braune Kirche, die wohl gegründet werden soll. Eine geheime Sache, von der ich nicht nur wusste, sondern auch Papiere hatte. Lisa wurde nach allen Richtungen ausgefragt. Man wollte auch wissen, ob sie strenggläubig sei. Wir empfinden dies als eine große Not, was sich dort im Hintergrund aufbaut. Die Losung für den kommenden Tag war aus Jesaja 1,8: "Fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir und will dich erretten", spricht der Herr und dazu die NT-Stelle aus 2. Thessalonicher 3,5.: "Der Herr aber richtet eure Herzen zu der Liebe Gottes und zu der Geduld Christi." Es ging uns oft so, dass manches Wort Gottes in unserer Einsamkeit ein Trost wurde, denn es kam für mich noch dicker. Eines Tages musste ich zur Feldkommandantur und wurde von einem Feldwebel, im Auftrage der Gestapo Hamburg, wegen dieser besagten Papiere (hatte ich vorher schnell vernichtet) verhört. Wurde nach vielem ausgefragt, konnte unbekümmert Antworten geben. Einmal wollte er wissen, ob es tatsächlich stimmt, dass Karl der Große in Verden an der Aller 4000 Sachsenführer hingerichtet habe. Es gibt da doch den Sachsenhain mit den 4.000 Steinen. Nun, ich konnte ihm sagen, dass es eine Fälschung ist und nach den echten Urkunden sollen es nur 4 gewesen sein. Unter Anderem ist Karl der Große als christlicher Kaiser nicht so blutrünstig gewesen, die besten Männer zu köpfen. Der Feldwebel gab sich anscheinend mit meinen Aussagen zufrieden. Was er nach Hamburg berichtet hat, entzieht sich meiner Kenntnis.

Wenigstens zu Ostern konnte ich mal wieder auf Urlaub fahren. Holte Lisa, die ja arbeiten musste, an der Bahn ab. Zur Abwechslung gab es auch Fliegeralarm, der schon mal öfter kommt. Es gibt ja bei einem Urlaub so vieles, was auch miteinander bewältigt werden muss. Dieser Verlobungszustand ist auch eine Belastung, weil man nicht weiß, wann können wir ans heiraten denken. Auch sind meine Magenbeschwerden oft sehr drückend. Hatte ja Magengeschwüre. Mutter gab mir oft aus dem Arzneischrank im Laden Hingfon-Tropfen. Diese halfen eine Weile. Abschied und die Rückfahrt waren unter diesen Umständen nicht einfach.

In Charleville hatte mich der Alltag wieder. Zwischendurch mache ich einen Filmvorführer-Kursus in Paris. Später hole ich Film und Apparat aus Bethel und führe den Bethelfilm mehrere Male vor. Da unser Kraftfahrer ausfiel und wir nicht von einem anderen abhängig sein wollten, lernte ich, unter Anleitung eines Kfz-Feldwebels in Charleville, das Autofahren. In einer Hinsicht schon gut, aber es hatte auch seine Nachteile. Zuerst ging ja alles gut und ich war stolz auf meine Fahrkunst. Wir hatten von der Kommandantur einen Peugeot zur Verfügung gestellt bekommen. Eines Tages wollten wir nach Verdun, um Gottesdienst zu halten. Auf der Fahrt saß mein Chef mit der Pistole in der Hand auf dem Beifahrersitz. "Nanu", sagte ich, "was soll denn das?" "Ja, wegen der Partisanen." "Was meinen sie wohl, was sie damit ausrichten können, nämlich nichts. Denn nur eine Salve auf das Auto, sie kommen nicht mehr zum Schuss, und wir sind hin." Die Fahrt ging, Gott sei Dank, ohne Überfall weiter. Nur, im Dorf mit Namen Inu baute ich meinen ersten Unfall. Hatte übersehen, dass die Dorfstraße von Lehm verschmiert war und kam in einer Kurve ins Schleudern und rammte mit dem Hinterteil vom Auto einen Mast. Kriegspfarrer Tauber flog hin und her, seine Mütze wurde ihm von Kopf gehauen. Es gab einen tollen Schreck, aber wir waren schnell wieder auf den Beinen. Schauten uns das Auto an, dies hatte einen größere Delle vom Pfahl, aber wir konnten unsere Fahrt fortsetzen.

Später musste der Chef zu einem Kriegspfarrer-Kursus, und ich sollte mit den anderen Kameraden mit der Waffe Dienst machen. Mir aber kam ein anderer Einfall, und ich ging zum Spieß, der uns gut gesonnen war und ließ mir einen Dienstausweis nach Deutschland ausstellen, um Schriften für unsere Arbeit zu besorgen und fuhr am 6. Mai 1942. Reiste nach Berlin, um dort einiges zu besorgen, dann Telegramm an Lisa: Komme kurz. Es war natürlich eitel Freude. In Hamburg ging es zu einigen christlichen Buchhandlungen. Bis zum Donnerstag blieb ich noch, und dann ging es nach Wuppertal zum Aussaatverlag. Dort kaufe ich einen Berg von Schriften von Paul le Seur ein. Alles wichtige Themen für die Soldatenseelsorge. Mit einem vollen Koffer landete ich in Charleville. In unserem Esszimmer auf dem großen Tisch hatte ich die Schriften ausgebreitet. Pfarrer Tauber sollte sich freuen über diese Ausbeute während seiner Abwesenheit. Er war aber sehr ungehalten und machte mir große Vorwürfe. Ja, er machte noch Meldung bei der Feldkommandantur und bekam ein Beschwerdeschreiben, welches er ausfüllte, wahrscheinlich wegen Entfernung von der Truppe, aber ich hatte ja den Dienstausweis von der F.K. bekommen, und so ist dann die ganze Sache versandet.

Die Schriften waren von den Deutschen Christen auf den Index gesetzt worden, was mich aber einen Dreck kehrte. Bezahlt haben wir vom Kohlekleingeld, was wir in reichen Maße besaßen.

Bei einem Urlaub bin ich im Rauhen Haus gewesen und habe mit dem Direktor über unsere Heirat gesprochen. "Aber Wietholz, wo denken sich hin, wenn alle Brüder kommen würden und um die Genehmigung zu bitten, was kann daraus werden? Denken sie an die Kinder und so. Nein, die Genehmigung zur Heirat können wir nicht geben, sie sind noch in der Ausbildung!" Von mir kam der Einwand: "Und das Ende des Krieges ist nicht abzusehen." Mit einem Achselzucken wurde ich entlassen. Wir aber, Lisa und ich, waren uns einig. Im September 1942 wird trotz allem geheiratet. Bei der Feldkommandantur wurde die Heirat eingereicht. Der besondere Tag sollte der 6. September 1942 sein. Papiere und alles, was darum schwebte, musste organisiert, das Aufgebot bestellt und die Trauung bei Pastor Schöppe, Martinskirche, angemeldet werden. Bei einer Kriegstrauung ging alles viel schneller. In Charleville organisierte ich Fleisch, Wein und Weintrauben. Voll bepackt mit einer "Dienstreise nach Rügen" im Gepäck kam ich dann in Hamburg an. Ja, Hochzeitmachen, das ist wunderschön ...! Lisa hatte mit den Eltern schon viel Arbeit geleistet. Einmal mussten die Heiratsanzeigen gedruckt und verschickt werden, bei der großen Sippe. Man hatte viel auf Lebensmittelmarken gespart und so konnten Torten und Kuchen hergestellt worden.

Dann kam der Gang zum Standesamt mit den Trauzeugen, Vati und Onkel Fritz. Am Sonntag, dem 6.9.1942 um 15.30 Uhr war die Trauung in der Martinskirche angesetzt. Man hatte Herrn Felsmann, der bei uns im Haus wohnte und ein Straßenbahnführer war, gebeten, eine Straßenbahn zu besorgen. Und tatsächlich konnte ein Motorwagen vom Horner Depot frei gemacht werden, der dann mit Blumen ausgeschmückt war und vor der Horner Landstr. 439 hielt. Das Brautpaar, geschmückt mit dem Pariser Brautkleid, und die Hochzeitsgäste ließen sich dann bis zur Pagenfelder Straße fahren und gingen das kleine Stück Weg zur Kirche zu Fuß.

In der Kirche hatten viele Gäste Platz genommen, sogar Bruder Frieß aus dem Rauhen Haus war gekommen. Ilse Friess und Juliane Jahnke streuten Blumen. Pastor Schöppe gab uns den Trauspruch aus Psalm 73 Vers 23 mit auf unseren neuen Lebensweg: "Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich an deiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich endlich in Ehren an." Als die Einsegnung vorüber war, wünschten uns viele Gottes Segen. Selbst Frau Schmidt, die Mutter von den Condorden aus Hoheluft, war gekommen. Mit der Straßenbahn fuhren wir zurück und dann wurden natürlich viele Aufnahmen gemacht. Dies war noch alles möglich in der Kriegszeit. Auch war die Wohnung für die Feier umgeräumt worden. Der große Ausziehtisch kam uns bei den vielen Gästen gut zustatten. Er reichte von dem einen großen Zimmer durch die Schiebetür bis ins andere Zimmer. Es wurde mächtig getafelt, alles war noch in Hülle und Fülle da. Ansprachen wurden gehalten und Wein aus Frankreich ausgeschenkt. Ich hatte mich längst meiner Uniform entledigt und hatte wieder einen Anzug an. Den hatte ich mir vorher in Charleville machen lassen. Schwägerin Emmi hatte für uns im Hotel Reichshof ein Zimmer bestellt, das wir bis 23.00 Uhr aufsuchen sollten. Aber die Feier zog sich immer wieder hin und wir wurden vom Hotel mehrere Male ermahnt, zu kommen. Als wir endlich im Hotel waren, hatte Lisa in der Aufregung die Hausschlüssel mitgenommen, die Emmi noch schnell holen musste, denn am anderen Morgen fuhren wir schon um 8.00 Uhr mit dem Zug nach Rügen in die Flitterwochen. Mein Dienstausweis machte es möglich. In Stralsund hatten wir einen kurzen Aufenthalt, und auf der Bank sitzend, wälztete Lisa ein Problem: Es ist ja nicht einfach, sich mit einem Male von den Eltern abzunabeln und sich in eine fremde Zukunft mit diesem Mann zu begeben, denn immerhin stand auf der Heiratsurkunde "Diakonschüler", bis auf den heutigen Tag. Die Bimmelbahn nach Binz kam, und die komischen Gedanken verflogen. In Binz hatten wir eine Pension gemietet. Die Besitzerin war sehr nett und hatte viel Verständnis für das junge Paar.

Nur 1 ½ Wochen hielten wir es aus. In der Zwischenzeit sind wir zum Kreidefelsen gewandert, haben gerudert und lernten auch noch Schach. Bei allem wurde es uns nicht langweilig, aber der 16. September nahte und da hatte mein Schwiegervater Geburtstag. Auch wollten wir in Hamburg noch einiges erledigen. Auf der Fahrt, in der Eisenbahn, nach Hamburg trafen wir in unserem Abteil die Mutter von Harald Reich, der bei uns in Hoheluft in der Concordia war. Bei dieser Gelegenheit eröffnete sie im Gespräch, dass seit einiger Zeit die Gestapo in Hoheluft herumschnüffele, um herauszubekommen, was dort getrieben worden ist. Immer musste einen die Gegenwart wieder einholen. Wir haben uns aber die nächsten Tage in Hamburg nicht miesmachen lassen. Feierten den Geburtstag und besuchten das Büro des Rauhen Hauses in der Stadt am Plan. Hier war ein Ausweichbüro errichtet worden. Pastor Dondorf war zur Zeit da. Wir wollten uns nur als frisch gebackenes Ehepaar vorstellen. Er gratulierte uns und empfahl, eine Lebensversicherung einzugehen. Wir aber waren bestens bei einem anderen versichert, der bis zur Stunde seine Hand über uns gehalten hat. Wir ließen uns die geschenkten Tage mit viel Besuchen bei Tanten und Onkeln gut ergehen.

Der Abschied kam viel zu schnell und ab ging es wieder nach Charleville in die Villa. Musste mich bei der Feldkommandantur zurückmelden und an die Kriegslazarettabteilung einen Schrieb schicken.

Hatte für unsere Insassen und den Chef Kuchen mitgebracht, damit noch ein kleiner Glanz aus der Vergangenheit in die Gegenwart fiel.

Langsam wurden uns die Nachrichten über die Siege oder siegesreichen Absetzbewegungen zu dumm. So kamen wir, der Franz und ich auf den Gedanken, eine andere Quelle anzuzapfen. In unserem Esszimmer stand ein Radio, das oft in Tätigkeit gesetzt wurde, denn man wollte wissen, wo die Fronten in Russnd standen. Der katholische Pfarrer hatte eine Landkarte und mit Nadeln und Flaggen die Fronten abgesteckt. Wir aber griffen zu einen anderen Mittel. Wenn die Kriegspfarrer ins Offizierskasino zum Essen gingen, haben wir den englischen Sender eingestellt und hörten ganz andere Nachrichten als die verlogenen Wehrmachtsberichte. Oft erfuhren wir auch viel früher, welche Städte man in Deutschland bombardiert hatte.

Bekam den Auftrag (vermutlich von der Kommandantur, mein Chef gab den Befehl weiter), Filme für das Soldatenkino in Charleville aus Paris zu holen. Hier hatte ich die Möglichkeit, so gut es ging, gute Filme mitzubringen. Auch hatte ich manchmal Zeit zu einen Bummel in Paris. In der Rue de Blanche besuchte ich die deutsche Gemeinde, über die ich so einiges wissen wollte.

Lisa hatte in Hamburg für uns in der Steinfurter Straße Nr. 32 bei Görlich ein Zimmer bekommen. Erst war es ein kleines Zimmer, später kam das große Zimmer in Frage, welches mit Möbeln ausgestattet wurde. So hatten wir im Urlaub unser kleines Zuhause, denn Karl Görlich und Frau, Besitzer der Wohnung, waren nicht anwesend. In den Kriegsjahren haben wir uns nie zu Gesicht bekommen.

1942 war für uns noch ein ruhiges Jahr. Ab und an half ich auch in der Suchzentrale für gefallene Soldaten. Es gab viel Arbeit, auch Ärger und manche Überraschung, weil man bekannte Kameraden wieder traf.

Der Weihnachtsurlaub wurde genommen und zu Hause noch fröhlich gefeiert. Keiner ahnte, was in der Zukunft Fürchterliches auf uns zukommen sollte. Erst einmal versuchte Hitler, mit der Rakete VI und II, England in die Knie zu zwingen, was aber nicht gelang. Diese Dinger hörten sich grausig an, wenn sie über uns wegflogen, aber sonst wurden sie, wenn sie über England waren, abgeschossen.

1943

Wieder bekam ich vom Rauhen Haus einen Brief mit dem abgedruckten Vortrag von Prof. Allhaus, der am 23.9.42 noch einen Vortrag über das Thema "Religion ohne Christus" im Hamburger Michel halten durfte. Diesen Vortrag fanden mein Chef und ich so gut, dass mein Vorschlag bei ihm Gehör fand, den Vortrag in einer Charleviller Druckerei drucken zu lassen. Unter großen Schwierigkeiten kam dann das Blatt in einigermaßen gutem Deutsch zustande. Auf Glanzpapier wurden Hunderte von Exemplare gedruckt und unter den Soldaten verteilt. Die Drucker hatten mich groß angesehen, als sie den Inhalt verstanden. Später hat sich bei der obersten Militärverwaltungs-Behörde in Paris die Gestapo eingeschaltet und wollte vom Oberpfarrer Damrath wissen, wo die Dinger herkommen. Mein Chef, Pfarrer Tauber, bekam plötzlich Bescheid, diese Vorträge verschwinden zu lassen. Mich bat er, die Verantwortung selbst zu tragen, und ich willigte ein. Ich nahm den letzten Haufen, es war nicht mehr viel übrig, und fuhr nach Namur in Belgien zu meinem ehemaligen Pfarrer Werner, der sie mit Freude übernahm.

Zwischendurch erfuhren wir, der Franz und ich, dass es an der Ostgrenze immer brenzliger wurde und im Januar für den größten Feldherrn aller Zeiten die Katastrophe hereinbrach.

Am 31. Januar 1943 kam die Wende bei Stalingrad. Die 6. Armee unter General Paulus hatte keine Existenzmöglichkeit mehr. Jetzt wurden Fehler über Fehler von dem Emil da oben gemacht und seine Speichellecker machten fröhlich mit und führten das Deutsche Volk ins Verderben. Wer mehr über die Soldaten der beiden Seiten wissen will, der lese das Buch von Peter Bamm "Die unsichtbare Flagge".

Über unser Radio hörten wir dann im Juli, dass viele Städte in Deutschland bombardiert worden seien, am schlimmsten am 27. Juli 1943 in Hamburg. Die Stadt sei in Schutt und Asche versunken. Mein Chef und ich ließen uns sofort Bombenurlaub geben, er für Kassel und ich für Hamburg. Ja, meine arme Vaterstadt erkannte ich nicht wieder. In der Horner Landstraße gab es nur zerstörte oder ausgebrannte Häuser. Oh Wunder, ein Haus, wenn auch Fenster und Türen kaputt waren, Nr. 439, war stehen geblieben. Dies war das einzige heile Haus bis zum Hauptbahnhof. Meine Angehörigen, und dabei war auch Lisa, räumten im Haus erst einmal tüchtig auf. Ich half natürlich mit, die Fenster mit Drahtglas dicht zu machen. Gegen Abend zogen wir nach Reinbek, waren da bei Tante Minna im Haus untergekommen. Hier mussten wir es, trotz der Enge, mehrere Tage aushalten, bis wir wieder zur Horner Landstraße zurück konnten. Die Engländer kamen nicht wieder. Durch Luftaufnahmen hatte man die totale Zerstörung festgestellt. Unser Zimmer in Görlichs Wohnung war total zerstört. Lisa hatte vor dem besagten Abend noch das Silber und meinen Anzug gerettet. Später barg sie noch aus dem Keller den Weihnachtsschmuck, der heil geblieben war. Als ich zum ersten Mal die Steinfurther Straße wieder sah, da brannten im nahegelegenem Kohlelager noch die Kohlen. Lisa gelang es später, mit ihrem Vater und der Behörde, einen Wohnraum zu bekommen, denn Familien mit großem Wohnraum mussten abgeben, wie bei uns im Haus Ehepaar Siemers in der 2. Etage. Sie gaben uns das mittlere große Zimmer nach hinten ab. Als Ausgebomte konnten wir über die Behörde Bezugsscheine erlangen und erwischten in Bergedorf Wohnraummöbel und in Billstedt ein billiges Schlafzimmer. Später kamen noch kleinere Möbel hinein und ein kleiner Herd zum Kochen. So hatten wir dann erst einmal unser kleines Reich für uns. Es wurde mit der Zeit immer besser ausgestattet. Ein Waschbecken kam noch dazu, so brauchten wir die Siemers nicht mehr belästigen.

Jetzt bekamen in Charleville einige Leute lange Gesichter, denn mit dem Endsieg wurde es nichts mehr. Wir hörten, dass der Stellvertreter des Führers mit dem Flugzeug in England gelandet sei und man ihn gefangen genommen hatte. Was los war, erfuhr man nur als Gerücht. Vielleicht sollte er den Engländern ein Angebot machen. Diese hüllen sich bis heute in Schweigen. Die Sache mit Heß sollte irgendwie mal öffentlich gemacht werden, aber wann ? Wäre vielleicht ein früheres Ende möglich gewesen?

Für uns gab es in der Soldatenbetreuung viel zu tun. Auch wurden die Soldaten immer mehr beunruhigt durch die Zerstörung der Städte und man wusste nichts mehr über seine Lieben.

Auch ging eine andere Sorge um: Ein General namens Unruh sorgte auch unter den Soldaten für Unruhe. Immer mehr Soldaten aus Frankreich, auch bei uns, wurden zum Osten abkommandiert. Bei der gefährlichen Lage an der Ostfront konnte man die Angst verstehen. Auch uns konnte es bei der F.K. passieren. Darum bat ich, bei der nächsten Beförderung von mir abzusehen, denn Obergefreiter genügte mir und das mir hierfür zustehende Geld konnten wir gut gebrauchen. Es bestand weniger Gefahr, bei dem Ausleseverfahren erwischt zu werden. Unser katholischer Kriegspfarrer hatte für sich das Motto: Der Sturm muss über uns hinwegbrausen, um möglichst beim letzten Bataillon zu sein, das nach Hause marschiert. Dies aber lag noch in weiter Ferne. Erst einmal wurde die Parole von einer Geheimwaffe unter die Soldaten gebracht und der Verderber befahl, den deutschen Gruß bei der Wehrmacht einzuführen. Unter den Kameraden ging der Witz um, wir haben die neue Geheimwaffe, nämlich man führt den Tubenkäse ein. Die Stimmung fing langsam an umzuschlagen. Die SS bekam immer mehr Einfluss unter den Offizieren. Stalin verkündet den "Vaterländischen Krieg", die Kirchen in Russland machten mit und stiften Geld. Langsam zeichnete sich am Horizont immer mehr eine Niederlage für dieses Lause-Deutschland ab.

1944

Auf Urlaub erzählte mir meine kleine Frau, dass Pastor Forck sie im zerstörten Abendroth-Haus freigegeben habe für einen Kursus als Gemeindehelferin. Lisa fuhr dann im Januar 1944 nach Lobetal bei Berlin ins Burckharthaus zum Kursus. Hier machte sie ihre Prüfung unter der Aufsicht von Hauptpastor Herntrich, der später in Hamburg Bischof wurde. Zum 12. März konnte ich nochmals Hochzeitsurlaub nehmen, denn eine Freundin von Lisa heiratete und die Feier fand bei Gabriels statt. Elfriedes Mann war mir als junger Pastor bekannt geworden. Sie ließen sich bei uns in der Martinskirche trauen. Er, Gerhard und ich, hatten oft über den traurigen Zustand der Kirche gesprochen.

Gleich nach der Hochzeit musste ich weiter, um Schriften zu besorgen. Am 14.3.1944 fuhren wir, meine Frau und ich, nach Hermannsburg. Unterwegs übernachten wir in einer eiskalten Pension, haben wir gefroren! Immerhin, wir hatten nicht nur hier Erfolg wegen der Schriften, sondern auch in Walsrode. Dann kam als letztes Ziel noch Stuttgart in Frage und dort landeten wir in einem Hotel am Bahnhof, wo sämtliche Fenster mit Brettern vernagelt waren.

Wir nahmen wehmütig Abschied, denn nun musste ich schnell nach Charleville zurück. Die Urlaubszeit war abgelaufen. Wer wusste, wann wir uns wiedersehen könnten? Es war so unheimlich ruhig, man tat so, als ginge alles seinen gewohnten Gang. Am 6. Juni hören wir plötzlich im englischen Sender, die Alliierten seien mit einer großen Flotte in Frankreich gelandet. Es zeichne sich großer Bodengewinn ab, die deutschen Truppen leisteten Widerstand, der aber schon nach Stunden gebrochen worden sei. Unser Spieß fragte uns heimlich, ob wir etwas gehört hätten. Unter dem Mantel der Verschwiegenheit vertrauten wir ihm das Gehörte an. Wir waren früher im Bilde als die Herren von der Feldkommandantur. Wir hörten, dass am 18. und 20. Juni nochmals schwere Angriffe gegen Hamburg geflogen worden waren.

Am 27. Juni erhielt ich nochmals Post und erfuhr, man war heil davongekommen. Dem Herrn sei Dank für diese Bewahrung. Am 28. flog eine ungeheure Luftflotte von ca. 1000 Flugzeugen über uns hinweg. Wo mochten sie ihre todbringende Fracht abwerfen? Ja, jetzt mochte schon einer denken: "Die Geister die ich rief, die wird’ ich nicht mehr los." Jetzt passierte es schon mal, dass Charleville von Flugzeugen beschossen wurde. Man wird langsam in der F.K. unruhig. Am 20. Juli passierte dann noch das Attentat auf Hitler, welches leider misslang.

Eines Tages kam dann der Befehl des Abzugs. Kolonnen von Fahrzeugen wurden zusammengestellt. Mir wurde ein großer Renault übergeben. Er wurde mit unseren wenigen Habseligkeiten beladen, und dann brach die große Fahrkolonne auf. Bald stellte sich heraus, in einem so großen Aufzug können wir uns nicht fortbewegen. Die Gefahr von Fliegerangriffen ist zu groß. Einmal hätte es uns beinahe erwischt.


Am 3. September kam die Trennungsstunde. Die Kolonnen teilen sich. Ich nahm Abschied von Pastor Tauber. Dieses war auch die Stunde, wo mein Dienst beim Kriegspfarrer aufhörte und etwas Neues auf mich zukam. Wie würde es wohl werden? Es war zur Zeit des 4. September: Mein Geburtstag.

Unsere kleine Kolonne fuhr auf Holland zu. Unsere Fahrt ging Richtung Maastricht und endete erst einmal im Drei-Länder-Eck. Hier bezogen wir für kurze Zeit ein Haus und der Offizier kommandierte mich zum Koch ab. War jetzt für den Speisezettel verantwortlich. Solchen Dienst hatte ich noch nie gemacht. Hatte manchmal bei Lisa in den Topf geguckt, aber sonst war ich in puncto Küche ein unbeschriebenes Blatt. Bekam bald den Befehl, Pfannkuchen mit Kartoffelsalat auf den Tisch zu bringen. Mein Gedanke war, was denn das für ein Essensei. Na, die Bayern mussten es ja wissen. Zwischendurch hatte uns eine Holländerin, die als Reinemachefrau im Haus war, eine große Wurst gestohlen. Ich war doch ein Bisschen ungehalten über diese Art. Sie hätte nur mal den Mund auftun sollen, dann wäre sie auf ehrliche Weise zum Proviant gekommen. Noch heute denke ich ungern an diese unehrliche Eule zurück. Die Holländer waren ja wegen der damaligen Bombardierungen auf uns nicht besonders gut zu sprechen. Dieser Zwischenfall musste sich in Sittard abgespielt haben, weil wir dort 2 Tage liegen geblieben sind!

Wie sagte man: Die planmäßige Absetzung setzt sich weiter fort. Es ging über Neuss und Solingen und hier blieb mir eine Begebenheit in Erinnerung. Wir waren abends in einer Gaststätte und wollten noch etwas trinken. Viel gab es nicht mehr, außer so einem komischen Warmgetränk. Die Wirtin war trotz aller Kriegsbelastungen eine Frohnatur. Einer der Kameraden musste etwas von meinem Geburtstag gesagt haben, als Frau Wirtin anbot: "Eine Flasche Wein habe ich im Keller und die soll dran glauben." So haben wir dann auf gute Gesundheit getrunken und auf das baldige Ende. Am 17. September bin ich noch in Ohligs in der Kirche gewesen. Hier in dem Nest hatten wir zwei Tage Aufenthalt. Wohin unsere Fahrt weiter gehen sollte, wurde uns nun eröffnet. Das Ziel war Bayreuth und unsere Reise endete dort in der Kaserne. Fahrzeuge und Geräte wurden abgegeben, und wir mussten uns auf der Schreibstube melden. Der Spieß sah in meinem Soldbuch die Eintragung "Kriegslazarettabteilung", die ihren Standort in Neumünster hatte und stellte den Marschbefehl dorthin aus, natürlich mit einer kurzen Unterbrechung in Hamburg. Große Freude herrschte über mein plötzliches Aufkreuzen. Wir verlebten ein paar schöne Tage. Geblieben, trotz nicht erlaubten Urlaubs, vom 22.bis 25. September 1944, und dann ab nach Neumünster in die Kaserne zur Ausbildung zum Sanitäter. Also darum Neumünster und diesen tristen Dienst mit Ausmärschen und Übungen mit der Krankentrage. Wir gingen zum Spieß und baten um Urlaub, aber nichts zu machen. In der Kaserne herrschte eine gefährliche Anti-Kriegsstimmung. Telefonierte mit Lisa, sie möchte nach Neumünster kommen, denn wir wüssten nicht, wie lange wir hier bleiben würden. Lisa kam, verfehlte mich und hing den ganzen Tag in der Stadt herum. Erst abends hatten wir uns. Mit Müh und Not trieben wir eine möblierte Bodenkammer auf und so brauche ich abends nicht in die Kaserne. Am anderen Morgen durfte ich nicht erwischt werden, kletterte über die Mauer und verschwand bis zum Wecken auf unsere Bude.

Am 30.9.1944, schon um 12.00 Uhr, ging es über Flensburg ab nach Dänemark. Dort sollten wir als neue Einheit aufgestellt werden. Kranken-Kraftwagen-Zug 18/18. Jetzt erst merke ich, was man mit uns vorhatte. Jeder, der einen Führerschein hatte, bekam einen Krankenwagen zugeteilt. Es ließ sich in Dänemark gut leben. Oft gingen wir ins Cafe und aßen Kuchen mit der fetten Sahne.

Jetzt passierte bei unserer Einheit etwas Eigenartiges. Der Befehl wurd ausgeführt - alle Fahrzeuge mussten mit Tarnfarbe versehen werden. Es sollte nach Osten gehen. Unsere Sanitätswagen hatten einen Gewehrständer für einen Karabiner. Na, das konnte ja noch herrlich werden, denn der Russe kannte die Bestimmungen des Roten Kreuzes nicht, bei ihm wurde alles abgeknallt. Nun, die Tarnfarbe war kaum trocken, als ein neuer Befehl die Einheit traf. Alle Sanilastwagen mussten weiß gespritzt und mit dem Roten Kreuz versehen werden. Es sollte an die Westfront gehen und wir atmeten auf. Bevor der Tag kam, an dem die Einheit verladen werden sollte, kauften wir Lebensmittel ein, wie Butter, Wurst, Käse, Schinken usw. Schnell wurde ein Paket zusammengebastelt und in Hamburg von der Elbgaustraße aus rief ich Lisa an, sie möchte abends im Hauptbahnhof sein, denn unser Transport komme da durch. Im verdunkelten Bahnhof wartete sie auf uns, bis wir langsam durch die Halle rollten. Plötzlich sah ich sie, ein Rufen und Winken. Sie eilte heran und ich konnte ihr das kostbare Fettpaket zuwerfen. Erst wollte ich sie noch zu mir heranziehen, aber gut, dass ich das nicht gemacht habe, wenn man auch gut im Sanitätswagen hätte schlafen können.

Mittags war es, als wir am 24.10.44 bei Zimmerrode plötzlich Fliegerbeschuss bekamen. Glücklicher Weise lag am Haltepunkt ein Stapel Baumstämme, hinter die wir uns in affenartiger Geschwindigkeit verkrochen. Kameraden wurden von den Geschossen verwundet, mein Saniwagen mehrere Male getroffen. Ein Geschoss ging von hinten nach vorne durch und blieb im Armaturenbrett stecken. Dieses Geschoss von den Bordkanonen hatte ein besonderes Kaliber. Von meinem Fahrzeug waren auch die Reifen getroffen und die Lok gab ihren Geist auf, die war von etlichen Einschüssen getroffen. Hier mussten wir warten bis eine neue Lok kam und wir zur Mosel weiter fahren konnten.

Am Tage durfen wir wegen der Fliegerangriffe nicht mehr fahren. So ging es am Abend weiter, bis wir vor Gerolsheim landeten und dort ausluden. Unser nächstes Ziel war am 26.10.44 Büdersheim, wo wir auf einem großen Bauernhof Quartier machten. Mein Wagen kam auf den Hof eines Müllers. Seine Frau kochte uns eine Suppe, die nach einer so langen Fahrt gut tat. Hier mussten nun die Wagen und das Gerät in Ordnung gebracht werden. Es dauert lange, bis wir neue Reifen für die Wagen bekamen. Je länger wir auf dem Bauernhof waren, um so familiärer wurde es. Vom Bauern bekam ich im Haus ein Strohquartier, später eine kleine Kammer mit Bett. Zwischendurch wurde ich auch als Kurier eingesetzt und brachte oft Wein aus Trier mit.

Mit der Zeit freundeten wir uns mit dem Müller an. Abends saßen wir in der Küche und unterhielten uns über die Lage der Front. Der Müller hatte oft Gespräche unter 4 Augen mit mir, denn wir waren uns einig, der Verbrecher Hitler würde nicht eher ruhen, bis alles in Scherben gefallen sei. Eines Abends saßen wir mit den Kameraden und dem Pfarrer und sprachen über religiöse Fragen. Auch sind wir mit dem Spieß mal auf den höchsten Berg der Umgebung geklettert. Sonntags gab es zur Feier des Tages auch schon mal Kuchen. So konnte man die Zeit in der Etappe schon recht gut aushalten, wenn doch nur Post aus Hamburg käme!

Kurz vor der Adventszeit machten wir noch Adventskränze für den Gemeinschaftsraum. Den 1. Advent, 3. Dezember 1944, erlebe ich in der katholischen Pfarrkirche in Büdersheim und abends feierten wir mit den Kameraden Advent im Geschäftszimmer.

Noch einmal musste ich nach Trier, um einige Besorgungen zu machen. Am 13. Dezember wurden wir zur Panzeraufklärungsabteilung am Wald zur Bereitstellung aufgestellt. Also sollte es jetzt ernst werden. Am 15.12.1944 Aufbruch zum Einsatz. Vorher hielt ein Offizier noch eine Ansprache an die Truppe mit dem berühmten Hinweis: Kameraden, gebt euer Bestes. Keine Furcht, es soll eine Geheimwaffe eingesetzt werden. Ha, können wir nur murmeln.

Am 16.12.1944 ging der Zauber um 5.30 Uhr los. Ein mächtiger Feuerzauber setzte ein. Die Nacht war knallhell erleuchtet. Die Stellungen des Feindes wurden vom Überraschungsangriff überrollt.

Am Abend waren wir auf der Eifelstraße. Gefangene kamen uns entgegen. An einer Stelle kamen wir nicht weiter durch und fuhren zum Forsthaus. Dort lagen Verwundete, die abgeholt werden mussten. Meine Batterie im Wagen versagte. Hatte Glück! In nächster Nähe lag ein kaputter Sanka. Schnell wurde die Batterie aus- und bei uns eingebaut. Mein Beifahrer half tüchtig mit.

Es ging jetzt über die Schnee-Eifel auf die Straße nach St. Vieth. Vor St. Vieth war die Straße von Hunderten von Fahrzeugen verstopft, denn vor uns musste ein Minenfeld geräumt werden. Es war ein herrlicher Sonnentag, und wir standen enggedrängt auf dieser Straße, und plötzlich tauchte ein feindliches Flugzeug auf, der Pilot guckte und guckte, aber, oh Wunder, es fiel kein Schuss. Wir lagen alle im Graben und warteten, aber, wir dankten Gott, es war nichts passiert. Er hatte seine gnädige Hand über uns gehalten. Nachmittags war die Minensperre beseitigt und wir konnten in St. Vieth einrollen. Hier in diesem Nest gingen wir bei einer Villa in Bereitstellung. Unsere Lazarettabteilung war in die Schule gezogen.

Am Heiligabend ein Bomberüberfall auf St. Vieth und ein Kamerad wurde schwer verwundet. Abends hatten wir im Quartier noch eine Bowle und etwas Gebäck. Die Nacht verbrachten wir vorsichtshalber im Keller.

Am nächsten Tag bekam ich den Auftrag, zu einem Verwundetennest zu fahren. Erst einmal fuhr ein junger Offizier mit. Auf die Frage, wohin, wies er auf eine Landstraße, deren Bäume schon für die Sprengung hergerichtet worden waren. Im Geheimen denke ich, das kann ja noch schön werden! Plötzlich lies der Offizier den Sanka halten, riss die Tür vom Wagen auf und dann hörten wir in der Luft ein eigenartiges Dröhnen und Rumoren. Er meinte, die bombardieren ein Lager oder einen Flugplatz. Der Offizier verabschiedete sich und gab mir den Ort an: Staffelot sollte es sein, wo ich hin sollte, aber er wusste nicht, wo es liegt. Mal gut, dass ich mir immer heimlich Kartenmaterial besorgt hatte. Nun musste der Weg in eine Seitenstraße führen. Es kam ein schneebedecktes Feld, wo man überall die Einschlaglöcher der Granaten sehen konnte. Für mich war es ein mulmiges Gefühl. Ich erreichte das Dorf, das unter Beschuss lag, holte mehrere Verwundete aus dem Keller und machte mich schleunigst aus den Staub in Richtung St. Vieth.

Schon von Ferne roch ich einen eigentümlichen Brandgeruch. Als ich näher kam, suchte ich die Schule und den Ort. Alles lag in Trümmern. Das Lazarett war in den Keller geflüchtet und ich konnte da meine Verwundeten nicht los werden. Für ihr heldenhaftes Verkriechen bekam der Verein auch noch das Eiserne Kreuz.

Von einem Kameraden der Panzereinheit bekam ich im Vertrauen etwas über unsere Lage zugeflüstert. Er hatte gehört, der Panzervorstoß unserer Einheit sei wegen Mangel an Benzin liegen geblieben. Die Übereifrigen hatten ja geschworen, bis Weihnachten wolle man wieder in Paris sein. Nun musste dafür gesorgt werden, die Verwundeten auf dem nächsten Verbandsplatz los zu werden. Musste über Roth hinaus. Abends, am Sylvester, saß ich fröhlich in der 12. Division, die beim Schneetreiben mit ihren Panjewagen in die Ausgangsstellungen zog. "Hallo Kameraden", rufe ich, "ihr wollt doch nicht mit diesem Haufen den Krieg gewinnen?" Keine Antwort. Nur stur trottete der Haufen dahin.

Später gelang es mir noch, mit einem Kameraden eine Flasche Wein mit dem bangen Gedanken zu trinken, was das neue Jahr bringen werde.

1945

In den nächsten Wochen erlebte ich die schwerste Zeit meines Lebens. Die Fahrten gingen von der Frontlinie bis zum Verwundetenplatz hin und her. Ich war bekannt bei den dortigen Ärzten, die schon bereit standen, wenn ich mit der Fuhre von Verwundeten kam.

Eines Tages musste ich zum Kastell nach Wallerode. Dort mussten zwei verwundete Offiziere geholt werden, obwohl das Schloss unter Beschuss stand. Es ging alles schnell und gut ab. Unterwegs auf der Fahrt zum Verbandsplatz wurden wir von SS-Heinis angehalten: "Der General Jodl kommt vorbei." "Von mir aus kann es der Kaiser von China sein, weg, die Verwundeten können nicht warten." Bei einer anderen Fahrt hielt mich unser Spieß an und rief: "Mensch Wietholz, sie leben noch! Man hat gesagt, sie wären tot." "Vorsicht, es ist noch nicht aller Tage Abend", bekam er von mir zu hören. Jetzt kam auch noch der Augenblick, an dem die Front zurück genommen wurde, denn die Ardennenschlacht zeigte für die Amerikaner ihren Erfolg.


Wieder war ich am 16.1.1945 mit meinem Beifahrer unterwegs, um Verwundete zu holen, und wir bekamen bei Roth plötzlich Feuer von der Artillerie der Amerikaner. Ein Dussel von Kompanieführer ließ seine Truppe über ein schneebedecktes Feld traben. Natürlich war das eine Herausforderung für den Gegner und wir hatten es mit auszubaden. Unser Sanitätswagen wurde so stark getroffen, dass mein Beifahrer, der auf der falschen Seite heraussprang, zu Tode kam. Die andere Seite bot hinter dem Vorderrad etwas Deckung, aber trotzdem wurde ich von etlichen Splittern am Bein und im Gesicht getroffen. Als der Feuerzauber vorbei war, entdeckte ich einen Kameraden mit einem Raupenfahrzeug. Er aber war so stark getroffen, dass sein Fuß nur noch an einer Sehne hing. Glücklicherweise kam in diesem Augenblick ein Unteroffizier mit einen Kübelwagen vorbei. Wir legten den Verwundeten auf den Wagen, fuhren zum nächsten Haus und haben erst einmal das Bein abgebunden. Natürlich musste der Verwundete weg und auch ich musste schnellstens zum Verbandsplatz. Dort bekam ich vom Oberarzt die Verwundetenkarte um den Hals gehängt und sollte nun zusehen, wie ich weiterkomme.

Für mich gab es nur eines, nur schnell aus diesem Schlamassel heraus. Vor kurzem hatte ich selbst noch viele Verwundete gefahren, jetzt musste es erst einmal zu Fuß weitergehen, denn ein Sanitätswagen war nicht vorhanden.

Nach einiger Zeit ließen sich auch andere Verwundete wie ich mit einen LKW bis Bonn mitnehmen. Wir hören, dass es in Siegburg ein Krankenhaus gäbe. Spät abends wurden wir dort aber abgewiesen, weil alles überfüllt war, und nach Iserlohn ins Katholische Krankenhaus überwiesen. Wurden vorher aber noch gut verpflegt. Am 21. Januar 1945 wurde ich ins Lazarett in Iserlohn eingeliefert.

Schon ein paar Tage später ging es mir nicht gut. Ich hatte 41 Grad Fieber. Die Ärzte und das Pflegepersonal gaben sich in den nächsten Tagen und Wochen viel Mühe, um meine Gesundheit wieder herzustellen.

Dazwischen hörten wir von der Absatzbewegung des Heeres und, dass es immer kritischer werde. In Ostpreussen kam die Bevölkerung in Bewegung. Viele Menschen foehen mit Schiffen über die Ostsee. Da wurde ein Schiff, die Gustlow ( ein Dampfer, der einst die Urlauber nach Süden bringen sollte; wie nannten die Nazis das: Kraft durch Freude, welch eine Ironie !), dieses Schiff wurde von einem feindlichen U-Boot torpediert und ging mit Tausenden Flüchtlingen unter.

Als es mir langsam besser ging, bekam ich am Sonntag Ausgang und besuche den Gottesdienst. Mit meiner Entlassung ging es nicht so schnell. Ich bekam Furunkulose, die sehr hartnäckig war.

Erst am Dienstag, dem 13. März wurde ich vom Arzt gesund geschrieben und bekam den Urlaubsschein, heißt erst einmal Genesungsurlaub, und ab nach Hamburg. Erst am Mittag kam ich von Iserlohn weg und nahm den Zug Hamm-Münster-Osnabrück. Von Osnabrück ging es mit einem D-Zug, dessen Fensterscheiben kaputt waren, Richtung Hamburg und war dann glücklich am 15.3.1945 mittags um 11.30 Uhr auf dem Hauptbahnhof. Zu Hause herrschte bei meinem Erscheinen große Freude. Jetzt konnten wir uns auf eine ruhige Woche einstellen, wenn uns nicht der Fliegeralarm störte.

Freitag und Sonnabend hatte ich den Auftrag, vor Konfirmanden zu sprechen. Es waren ca. 300 Besucher. Am Sonntag nahm ich an der Konfirmation teil und feierte fröhlich mit. In der Woche fuhr ich nach Pinneberg und besuchte Mutter. Sie war aber nicht gut beieinander. Die Urlaubstage schmolzen wie Butter in der Sonne dahin. An einem Sonntag predigte Pastor Bernitt in der Martinskirche. Er war 1924 mein Konfirmator gewesen. Nach dem Gottesdienst hatten wir noch ein kurzes Gespräch.

Am 26. März 1945 musste ich zur Kaserne und dort Zeug und einen Tornister abholen, den ich noch später nach dem Krieg auf unseren Auslandsfahrten gut gebrauchen konnte. Erst einmal aber musste ich mich am 27.3.1945 auf der Frontleitstelle am Hauptbahnhof melden, um zum weiteren Einsatz geschickt zu werden. Der Obergefreite dort händigte mir den Dienstausweis mit Fahrkarte aus. Im Haus schauten wir uns den Ausweis genauer an, und da stand ein Ort drauf, den wir auf der Landkarte im Osten fanden, also an der russischen Front. "Nein. Niemals!", lautete unser Ausruf. Also wieder hin zur Frontleitstelle und dem Obergefreiten klar gemacht, dass ich zu meiner alten Einheit nach Altenkirchen will, was im Westen liegt und nicht im Osten. Der Obergefreite sagte mir: "Auf Deine Verantwortung gehe ich zum Alten und lass den Schein ändern." Und nun geschah etwas, was beim Militär eigentlich unmöglich war: ein Wunder. Er kam nach einer Weile mit einem neuen Schein heraus, auf dem Altenkirchen stand. Wir aber, Lisa und ich, zogen froh von dannen und genossen den letzten Urlaubstag.

Am nächsten Tag fuhr meine Frau noch bis Stelle mit und dann kam der tränenreiche Abschied. Mit Verspätung kamen wir in Lehrte an, um später noch, ausgerechnet bei Hannover, in einen Fliegerangriff zu geraten. Immerhin ging die Fahrt dann über Elze Richtung Wilhelmshöhe. Aber so weit kam ich nicht mehr, denn die Fahrgäste warnen mich, die Strecke nach Kassel sei gesperrt. Unterwegs stieg ich schleunigst aus und mache mich zu Fuß auf den Weg. Später am Nachmittag erreiche ich das Dorf Zierenberg, um etwas zum Essen zu bekommen und einiges über die Lage zu hören. Es wurde mir gesagt, dass in Richtung Kassel kein Weiterkommen sei.

Eine alte Dame hörte von meinem Schicksal und nahm mich mit in ihre Wohnung. Bekam ein schönes Zimmer mit einem Bett. Ihren Namen habe ich mir gemerkt, Fraulein Elsässer, die mir zu Essen gab und am Karfreitag etwas Kuchen auf den Tisch stellte.

Zwischendurch war ich oft unterwegs, um zu hören, wie die Lage sei. Von hier war der Bahnverkehr eingestellt und der Amerikaner war mit seinen Panzerverbänden auf dem Vormarsch.

Am Sonnabend kam die alte Dame zu mir und sagte: "Um die Mittagszeit fährt wohl ein Auto mit den letzten Männern nach Hannoversch-Münden." Natürlich hatte sie auch Angst, einen deutschen Soldaten versteckt zu haben. Also nahm ich Abschied und habe mich noch sehr bedankt für das Quartier. Dann ging es mit einer Fuhre ab nach Hann.-Münden in die Kaserne. Dort wurden wir schnell zu einer neuen Einheit aufgestellt. Mit einem Unteroffizier und noch einem Mann gehörten wir zur Sanitätsabteilung. Geräte und Medikamente wurde uns mitgegeben.

Nach einem Ruhetag setzte sich die Kompanie am nächsten Abend in Bewegung. Unterwegs kam uns eine andere Kompanie entgegen. Die Kameraden lachten uns aus und riefen, ob wir den Krieg noch gewinnen wollten.

Bis Wilhelmshausen kamen wir. Hier wurde Quartier bezogen. Wir zogen zum Forsthaus, durften die Waschküche als Verbandsstelle einrichten und mussten dann erst einmal die Bewohner des Forsthauses, falls ein Angriff kommen sollte, in den Keller schicken. Bei dieser Gelegenheit lerne ich auch den Pfarrer des Dorfes kennen.

Das Gerücht ging um, man wolle Wilhelmshausen verteidigen. Wenn das geschehen wäre, hätten es die Amerikanern bombardiert. Glücklicherweise kam an diesen Abend der Ami nicht.

Ich bekam eine Einladung von der Pfarrerfamilie. Hatte dann später, als der Ami doch kam - aber ohne Panzer - einen Schwerverwundeten zu betreuen, der dann von den Amerikanern ins Lazarett gefahren wurde.

Kriegsgefangenschaft

Später mussten wir alle auf dem freien Platz im Dorf antreten. Erst einmal wurden wir gefilzt und etliche mussten ihre Armbanduhren abgeben. Bei mir wollte auch einer etwas holen. Ich zeigte auf die RK-Armbinde und er ließ dann von mir ab. Nur die Ampullen im Tornister nahm er heraus. Dann kam ein großer LKW, alle wurden auf den Wagen gescheucht, und dabei riss man ihnen das Gepäck vom Rücken. Bei mir hatte man kein Glück, die Armbinde war mein Schutz.

Bei Naumburg war erst mal Halt und wir mussten die Nacht im Regen verbringen. Am nächsten Tag ging es weiter. Wir landeten bei Andernach auf einem freien Feld. Hier blieben wir mehrere Tage. Dem Herrn sei Dank, das Wetter blieb schön. Wehe, wenn wir Regen bekommen hätten. Hier im Lager wurde mir eines nachts meine Feldflasche geklaut. So ein Stück ist in der Gefangenschaft unentbehrlich.

Es muss wohl Mittwoch der 11. April 1945 gewesen sein, als wir vormittags um 11.00 Uhr verladen wurden. Wo mochte es wohl hingehen? Plötzlich erkannte ich die Gegend wieder: Es ging an Naumur vorbei durch Belgien. Unterwegs erlebten wir den Hass der Belgier. Wenn der Zug mit den offenen Loren unter Brücken hindurch fuhr, wurden Steine auf die Soldaten geworfen. Mit Volkslieder singenden Soldaten in den Güterwagen fuhren wir einer ungewissen Zukunft entgegen. Noch ein Bild ist mir in der Erinnerung haften geblieben: An einem Bahnübergang zu ebener Erde stand eine Belgierin und wollte einen Stein auf die Gefangenen werden, als der Zug vorbei fuhr. Der Begleiter, ein Schwarzer, fiell ihr in den Arm. Welche eine Blamage für die weiße Rasse.

Unser Zug nahm die Richtung auf Frankreich ein. Wir fuhren durch Laon und wurden in Attichy in der Nähe von Champiegne ausgeladen. Französiche Soldaten trieben uns mit Gewehrstößen den Berg hinauf in das Hauptlager. Bevor wir dieses Lager betraten, wurden wir mit DDT ausgiebig gegen Läuse besprüht. Wir kamen in ein großes Zeltlager, von deutschen Kriegsgefangenen vor uns erbaut. Wurden in kleine Gruppen eingeteilt und bekamen jeweils ein Zelt zugewiesen. Hier sollten wir nun unsere Tage fristen. Ab und an gab es eine Handvoll Verpflegung. Es schien, die Amerikaner, die das Lager verwalteten, waren nicht auf die große Zahl von Gefangenen eingestellt. Wasser war hier oben auch sehr knapp. Einmal habe ich über 12 Stunden nach Wasser angestanden.

Wenn man so in einer Zeltgemeinschaft zusammengewürfelt leben musste, lernte man die Fehler und Probleme der anderen schnell kennen. Die Frage galt immer: Was wird die Zukunft bringen? Wann ist der Krieg zu Ende und wie sieht es zu Hause aus? Ob es wohl mal wieder soviel zu Essen gibt, dass man satt wird und in Schlachterläden der Speck besonders dick ist und man zu hören bekommt, ob es auch für 5 Pf. mehr sein darf? In Anbetracht der Handvoll Kekse, die wir bekamen, waren wohl so ein paar Gedankenausflüge verzeihlich.

Ich lernte einen Kameraden, Hartmut Rulzenberg, kennen, der mich bei der Lagerleitung bekannt machte und hatte durch seine Fürsprache ein paar Erleichterungen im Lager.

Eines Tages kam über den Lautsprecher, alle Akademiker, Lehrer, Ärzte und Pfarrer sollten sich vor der Lagerbaracke einfinden. Natürlich war auch ich unter den dort Versammelten. Wir bekamen bald heraus, jeder sollte politisch durchleuchtet werden, bevor er zum Einsatz kam. Wir wurden einzeln hereingerufen. Aua! Manch einer kam mit einem roten Kopf wieder heraus. Dann kam ich an die Reihe. Vor mir ging ein Offizier auf und ab und wollte mich ausfragen, wie es denn mit Hitlers Siegen war. "Haben sich wohl gefreut, wie?" "Wie man es nimmt. Unter anderem gehöre ich der Bekennenden Kirche an. Niemöller sollte ihnen wohl kein fremder Mann sein!", antwortete ich. Mit einem Mal brülle er, dass ich machen soll, dass ich hier raus komme. Für mich gab es kein Halten. Aber was sollte daraus werden? Nun, der Herr Christus würde es schon wissen, denn irgendwie muss er ja wohl meine Worte beeinflusst haben.

Noch etwas geschah und ist mir bis heute ein Wunder. Es war an einen Sonntag Morgen und ich lag im Zelt. Plötzlich drang eine bekannte Stimme an mein Ohr. Auf dem Platz hinter unserem Zelt wurde katholischer Gottesdienst gehalten und der Pfarrer war kein anderer als der ehemalige Küster von Beauvais, Gerhardi. Gleich nach dem Gottesdienst kamen wir ins Gespräch. Natürlich ist die Wiedersehensfreude groß. Keiner wusste vom anderen, wohin er nach dem Rückzug verschlagen worden war. Bei dem Hin und Her und Durcheinander und dann hier bei den Amerikanern war es schon ein Wunder. Wir hatten ein langes Gespräch und da er zur Lagerleitung gehörte, wollte er sich beim Chaplain Zimmermann für mich verwenden. Mein gutes Abschneiden bei der politischen Durchleuchtung und die Fürsprache beim Chaplain hatten dazu beigetragen, dass drei Mann und ich für die kommende Jugendarbeit ausgesucht wurden. Es waren zwei katholische Pfarrer, ein evangelischer und ich als Diakon. Der neue Plan der Amerikaner war es, ein Babycatch einzurichten. Hier kamen alle Jugendliche hinein, die man gefangen genommen hatte, damit sie hinter der Front nicht noch Dummheiten machten. Denn Goebbels, die Großschnauze, hatte befohlen, die Hitler-Jungen sollten als Wehrwölfe die Amerikaner mit der Panzerfaust abknallen.

Es gab abends bei der Lagerleitung ein Essen, bevor wir in das neue Lager übersiedelten. Hier waren schon ein paar 100 Jungen eingeliefert worden, die in schönen großen Zelten ihr Quartier hatten. Wir bekamen auch ein großes Zelt mit Ofen und einem Keller. Der Hügel, auf dem dieses große Lager stand, war auf Lehmboden errichtet und so konnte man tief in die Erde gehen und im Sommer war es im Zelt schön kühl.

Unsere katholischen Pfarrer waren noch jung an Jahren und glücklicherweise keine Sauertöpfe. Manch Scherz wurde vom Stapel gelassen und wir machten uns das Leben so angenehm wie möglich. Unsere Verpflegung war nicht schlecht. Es waren meist Naturalien aus der Dose. Unser Herd leistete uns beim Mahlzeitenbruzzeln gute Dienste.

Oft wurden wir gebeten, zu Zusammenkünften und zu Besprechungen ins Offizierszelt zu kommen. Hier war die Gelegenheit gegeben, unsere Wünsche für die Arbeit los zu werden. Wir baten Chaplain Zimmermann, der ein Deutsch-Amerikaner war und gut deutsch sprach, Bibel und Bibelteile aus Paris mitzubringen. Auch wurde für den Schulbetrieb gute Literatur benötigt. Tatsächlich schleppte uns unser Chaplain Bibeln und Bibelteile in großen Mengen heran. Leider konnten die katholischen Pfarrer aus ihrer Buchhandlung das Gewünschte nicht bekommen und nahmen mit der Luther-Übersetzung vorlieb. Sie wurde auch eifrig bei den Ausarbeitungen der Texte benutzt. Die evangelischen Bibelteile wurde eifrig unter den Jugendlichen verteilt und auch gelesen. Die katholischen Jungen machten dabei die Entdeckung, dass Jesus Brüder gehabt hatte, was in der katholischen Übersetzung als Neffen ausgelegt wurde. Es gab eine große Diskussion über das Thema, denn wenn es so war, dann war ja Maria eine Mutter mit Kindern und Jesus lebte ganz natürlich in einer Familie. Dieses Thema über Jesus und seine Geschwister ist bis heute nicht zur Ruhe gekommen. Ich verstehe noch heute die katholische Kirche nicht, denn einer der Brüder Jesu, der Jacobus, war Bischof von Jerusalem.

Nun, wir hatten im Lager einen großen Zuspruch zu den Versammlungen. Es wurde schulwissenschaftlicher Unterricht gegeben. Wir stellten fest, dass die Jungen sehr aufgeschlossen waren. Es gab auch Sing- und Fragestunden. Konfirmandenunterricht wurde eingeführt, später wurden auch Jungen konfirmiert.

Der 8. Mai kam heran und mit einem Mal fand bei den Amerikanern eine große Feier statt. Jetzt erst hörten wir, dass der Oberste Kriegsherr, der Verführer unseres Volkes, Hitler mit seinem Großmaul, sich das Leben genommen hatte. Die Russen, Engländer, Franzosen und Amerikaner waren in Berlin und feierten das Ende des Krieges. Und was würde nun aus uns werden? Aber was nützten all diese Gedanken? Alles steht in Gottes Hand und wir hatten im Augenblick unseren Auftrag hier. Nicht umsonst war in den letzten Wochen mein Lebensweg so wunderbar verlaufen. Es gab genug Arbeit unter den Jugendlichen durch den vielen Unterricht.

Die Amerikaner erlaubten mir eine eigene Wachmannschaft für die Jungen. Erst noch bewaffnet, später ohne Gewehr, machten sie mit uns eine Ausflugsrunde vom Berg herunter ins Dorf. Die Franzosen begleiten uns mit misstrauischen Blicken. Auch die Amerikaner freundeten sich mit den Jungen an. Erst einmal mussten sie die Wehrmachtsklamotten ausziehen und bekamen amerikanisches Zeug. Später wurde eine Fußballmannschaft aufgestellt. Auf unsere Bitte bekamen die Jungen abends keinen Kaffee, denn sie kamen damit nachts nicht zur Ruhe. Auch sollte statt des Tabaks, wenn möglich, Schokolade gegeben werden. Man entsprach unserer Bitte.

Oft holten die Offiziere die Jungen, derzeit waren es ca. 3.000 geworden, um ihnen Vorträge über Amerika zu halten. Als man auch noch auf Deutschland zu sprechen kam, sagte ein Offizier: "Ihr deutschen Jungens braucht Euch Eurer deutschen Geschichte nicht zu schämen. Ihr habt große und berühmte Männer in eurer Vergangenheit gehabt!"

Habe mir den 23. Mai 1945 besonders gemerkt, denn an diesem Tag begann ich in meinem Zelt, Nr. 36, die erste Bibelstunde mit 35 Jungen. Und was geschah? Die Jungen baten um weitere Stunden. Es war schon so, wie es bei dem Apostel Paulus heißt: Der Herr tat eine Tür auf. So auch hier bei uns. Mit der Zeit versammelten sich über 170 Jungen in und um das Zelt. An einem Nachmittag bat mich ein Junge, doch in mein Zelt 36 zu kommen. Dort warteten mehrere große Kerle, die mir etwas mitzuteilen hätten, was sie mir anvertrauen müssten. Sie wären auf der Ordensburg zur Ausbildung als Hitler-Jugendführer gewesen und ich sollte sie nicht verraten. Sie könnten sich auf mich verlassen, denn ihre Angelegenheit sei jetzt Vergangenheit., war meine Antwort. Und auf meine Frage: "Ihr habt doch mal Konfirmandenunterricht gehabt, oder?", sagten sie: "Durch die neue Weltanschauung von Hitler ist alles verlorengegangen."

Eines Tages wurde für einen Tag auf einer Tafel die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen gezeigt. So klein würde nun Deutschland sein, da könnte man ja mit einem Fahrrad von einem Ende bis zum anderen in einen Tag durchfahren, sagten die Jungens. Jetzt, wo man sah, wer in der Heimat das Sagen hatte, brach in vielen das Heimweh auf. Tatsächlich fing der Amerikaner an, Trupps von Jungen zu entlassen. Das Plakat mit der Eintragung von Besatzungszonen, war nach einem Tag verschwunden, was uns sehr wunderte. Die Jungen, die zum Osten wollten, warnten wir, denn der Russe hatte angefangen, seine Zone abzugrenzen und auszubeuten. Hamburg und Westfalen mit dem Ruhrgebiet gehörten zur britischen Zone. Süddeutschland und zum Rhein herunter teilten sich die Amerikaner und die Franzosen. Wir aber mussten weiter aushalten, und kein Brief kam nach Hamburg durch. Meine Frau und die Lieben hatten mich bereits als verschollen betrachtet. Es wurde Juni und Juli. Am 29. Juli war noch mit allen ein letztes Beisammensein. Wir bekamen unsere Papiere für den Engländer.

Am 30. Juli nahmen wir Abschied vom Lager Attichy und wurden in Güterwagen verladen. Bekamen noch ein Carepaket mit, damit wir unterwegs nicht verhungerten. Landeten nach mehreren Tagen in Rheinsberg in einem großen Lager. Hatte später eine Besprechung beim Lagerpfarrer und weil das Lager so groß war, wurde ich als Lagerpfarrer eingesetzt und hatte am Sonntag einen Gottesdienst zu halten.

Eigenartig, noch heute weiß ich den Text. Es war der über die 10 Aussätzigen, die zu Jesu kamen und um Heilung baten. Nur einer aber kam zum Glauben, warum wohl? Nach dem Gottesdienst kam ein ehemaliger Offizier und wollte eine Aussprache haben. Unter anderem kam dabei heraus, er wollte Theologie studieren, wenn er nach Hause konnte. Ob er wohl Wort gehalten hat?

Noch eine Begegnung hatte ich beim Rundgang durchs Lager. Da saß vor seinem Zelt ein alter Bekannter aus Hoheluft, der uns als Hitlerjugendführer wegen unserer evangelischen Jugendarbeit Schwierigkeiten machen wollte. Jetzt saß Herr Hohmann mit all den anderen Kameraden im Dreck und ordnete seine paar Kekse. Natürlich lud ich ihn zum Gottesdienst und den Versammlungen ein. Er gab mir aber aus Verdruss eine abschlägige Antwort.

Am 18. August 1945 wurden wir zu einer Arbeitsdienstgruppe zusammen gestellt und mit einem Offizier, Feldfebel und Unteroffizier nach Lichtscheid in Marsch gesetzt. Die Dienstgruppen bekamen die Aufgabe, Projekte, die der Krieg zerstört hatte, wieder aufzubauen. Damit begann die Hoffnung auf Entlassung immer mehr zu schwinden. Hier in Lichtscheid bezogen wir eine von Polen ramponierte Kaserne, die wir in tagelangen Arbeitszeiten in Ordnung bringen mussten. Es war ein schlechtes Quartier, nachts haben uns die Wanzen gequält. Ich habe trotzdem, mit Hilfe des Lagerpfarrers, Gottesdienste und Andachten gehalten. Auch kamen langsam die Briefe von meiner Lieben wieder durch. Nach Tagen kam dann der Befehl, dass wir umziehen müssten. Aber wohin? Wir wurden bei diesem Umzug nach Beek gebracht und bezogen ein verwahrlostes Barackenlager. Natürlich mussten wir es erst mal wohnlich herrichten, denn von hieraus sollten neue Arbeitseinsätze durch die Arbeitskompanie geleistet werden. Wir befanden uns in der Nähe des Rheins und so fanden unsere Arbeitseinsätze an der zerstörten Rheinbrücke statt. Auch in Bottrop wurden wir eingesetzt. Überall hatten die Bomben ihre Spuren hinterlassen.

Am 21.10.45 war ich bei der Gemeindeschwester Wilhelmine in Duisburg-Hamborn zum Kaffee eingeladen und dabei bot sie mir ein Zimmer an, welches in der Außenwand ein großes Loch hatte. In den nächsten Tagen, in meiner freien Zeit, spielte ich den Maurer.

Zwischendurch habe ich nach Hause geschrieben und wartete sehnsüchtig auf Antwort, denn die Gemeindeschwester stellte für Lisas Unterbringung dieses Zimmer zur Verfügung. Mit Hochdruck wurde an der Fertigstellung des Zimmers gearbeitet. Lisa telegrafierte, dass sie mit einem Kohlenzug, andere Züge fuhren ja noch nicht, komme. Tatsächlich fuhr sie dann mit einem Kohlenzug bald mutterseelenallein im Trainingsanzug auf der offenen Lore ins Ruhrgebiet. Am 5. November 1945 waren wir morgens mit dem Zug auf dem Bahnhof Bruckhausen, stiegen gerade aus, da hielt gegenüber ein Zug, und wer stieg da aus? Meine liebe Frau. Wir gingen sofort zur Gemeindeschwester, die hier in Bruckhausen wohnte. Eilte zum Chef der Arbeitskompanie und holte mir Urlaub. Am 7. November war der Geburtstag meiner lieben Frau, den wir durch Gottes Güte nach langer Zeit wieder zusammen feiern durften.

Für manche Gemeindearbeit spannte mich Schwester Wilhelmine ein. Wir hatten zu ihr ein feines Verhältnis. Aus der Gemeinde hörten wir nur Gutes. Ab und zu wurde ich von meiner Lieben von der Arbeitsstelle abgeholt. Trotz allem verlebten wir herrliche Tage. Noch eine Geburtstagsfeier wurde begangen, unsere Schwester Wilhelmine wurde auch ein Jahr älter.

Dann kam der 27. November 1945 und meine kleine Frau musste Abschied nehmen, auch die Arbeit in Hamburg wartete. Am 30.11.1945 kam dann endlich die Nachricht, dass sie in Hamburg gut angekommen war.

Als Räumkommando verließen wir Sonntag, den 2. Dezember 1945, Beek, nicht ohne vorher mit Wehmut von der lieben Schwester Wilhelmine Abschied zu nehmen. Unsere Fahrt ging in Richtung Münster, und wir landeten im Dorf Kattenvenne. Mein Quartier war gar nicht so schlecht, konnte sogar in einem Bett schlafen. Ich nahm sofort Verbindung mit dem Pfarrhaus auf. Der Pfarrer Horstmeier war sehr nett und Gottesdienste und Andachten für die Kameraden wurden nicht nur abgesprochen, sondern auch gehalten.

Unser Arbeitsgebiet war der zerstörte Dorsten-Emskanal, der unter dem Bombenhagel gelitten hatte. Jeden Morgen wurden wir von unserem Quartier mit Lastwagen zu den Baustellen gefahren. Mit motorisierten Kipploren wurden Sand und Steine herangefahren und die Böschung des Kanals damit ausgebessert.

Einmal, als wir mit einer Kolonne bei der Arbeit waren, kippte ein Kamerad mit der Lore so unglücklich um, dass der buchstäblich damit begraben wurde. Nur ein blitzschnelles Eingreifen von meiner Seite rettete ihm das Leben. Er wurde bald danach auf einen LKW geladen und ins Lazarett gebracht. Ich wurde vom Pfarrer des Dorfes oft zum Essen eingeladen. Oft wurden von mir die Jugendstunden gehalten. Trotz des kalten Wetters ging es mit dem offenen LKW zur Arbeit. Auch musste ich noch einmal mein Quartier wechseln, es war eine kalte Bude. Dann kam eine Besichtigung von einem englischen Kaptain, ob auch Quartier und Kompanie sich in einem guten Zustand befänden. Es schien ihm alles in Ordnung.

Es war möglich, am 20.12.1945, in Urlaub zu fahren, aber nicht einfach, nach Hamburg zu kommen. Ab Bremen fuhr ich auf einer Lokomotive nach Hamburg. Verlebte schöne Tage über Weihnachten. Natürlich brachte ich das Thema meiner Entlassung im Rauhen Haus und bei Pastor Forck vor, man möge Gesuche an die Engländer schreiben. Am 3.1.1946 musste ich leider schon wieder zurückfahren.

1946

Bekam doch vom (Offizier) Hauptmann Gärtner am 25. Januar 1946 wieder einen Kurzurlaub bewilligt. Die Züge fuhren unregelmäßig. Vor uns war vor Hamburg ein Güterzug entgleist und wir mussten in der Nähe von Dibbersen aussteigen. Es ging bis zur Chaussee zu Fuß weiter. Am Gasthaus Dibbersen warteten wir auf ein Auto, welches uns nach Hamburg mitnahm. So um 5.00 Uhr nachmittags war ich im Haus und meine junge Frau strahlte vor Glück, sie hatte auch eine Neuigkeit: Wir werden eine Familie.

Am 27.1.1946 hatte mein Schwiegervater Pastor Forck von der Martinsgemeinde eingeladen und so nebenbei erzählte Pastor Forck, dass er damals nach dem Festvortrag in Hoheluft bei der Concordia angezeigt worden sei und mehrere Male bei der Gestapo vorgeladen gewesen war. Am 30.1.1946 nahm ich wieder Abschied und wurde von Lisa zur Bahn gebracht. In Kattenvenne gingen die Tage mit Arbeit eintönig dahin. Gut, dass ich in der Gemeinde zur Jugendarbeit herangezogen wurde. Ab und zu saß ich im Studierzimmer des Pfarrhauses und konnte einige Bücher lesen. Am 8.2.1946 war bei strömenden Regen Abmarsch nach Mecklenbek in der Nähe von Münster. Wir bezogen ein Barackenlager, was glücklicherweise in Ordnung war. Es war so groß, dass hier 4 Kompanien von über 1.200 Mann untergebracht wurden. Unsere Baracke hatte einen Ofen und abends hatten wir elektrisches Licht. Alles wurde mit der Zeit wohnlich eingerichtet, auch der Fußboden wurde mit Öl eingerieben, damit er beim Fegen nicht staubte. Zum Gottesdienst ging ich 5 km nach Münster. Alle Dörfer ringsum waren katholisch.

Die Tage, trotz Schnee, sind schön, denn jetzt kam endlich die Briefpost durch. Zwischendurch war ich mehrere Male auf dem Krankenrevier. Ich bemühte mich, auf Grund meines Magengeschwürs entlassen zu werden. Aber alles war leider vergeblich, sollte wohl meine Tage hier arbeiten. Oft wurden wir zum Kartoffelschälen herangeholt. Wir fuhren auch viel nach Münster und ich verhandelte mit der Kirchenleitung wegen der Betreuung der Lagerinsassen. Auch besorgte ich in Münster Bücher und Schriften von der Kirche für das Lager. Ein großer Barackenraum für Gottesdienste und ein kleinerer Raum für Bibelstunden und Unterricht wurden zur Verfügung gestellt. Nach Rücksprache mit Hauptmann Gärtner wurde im Lager ein schwarzes Brett angebracht und Nachrichten aus der gesamten Kirche ausgehängt. Vorträge die im Lager von Männern der Kirche gehalten wurden, und Lagergottesdienste wurden angekündigt. Manchmal standen die Kameraden vor dem schwarzen Brett und diskutierten über das Ausgehängte.

Von einem Tischler im Dorf sollte mir gegen Tabak ein kleines Kinderbettchen angefertigt werden. Immer wieder versuchte ich auch, meine Entlassung ins Spiel zu bringen. Vielleicht würde ich als Bezirks-Diakon im Raume Münster eingesetzt werden. Die Kirchenleitung hatte von mir einen Lebenslauf bekommen. Eine Abschrift ist erhalten geblieben.

Gegenüber vom Lager auf der anderen Seite hatten ein paar ältere Damen ihr Behelfsheim. Als ich hörte, dass sie evangelisch seien, war bald darauf ein Besuch fällig. Es blieb aber nicht bei einem. Ich wurde oft zum Kaffee eingeladen und bei einem Plausch hörte ich auch einiges aus ihren Leben. Seit über einem Jahrzehnt waren sie hier schon ansässig und hatten mit den Katholiken so allerlei erlebt. Wenn sie in Münster einkaufen wollten, wurden sie oft als Ketzerinnen abgewiesen. Ja, die Bevölkerung musste sich hier auch in ihrem kirchlichen Denken umstellen.

Es waren viele Flüchtlinge ins Land gekommen und auf den Dörfern untergebracht worden. Manche evangelische Flüchtlingsfamilie besuchte ich und dann waren die katholischen Bauern erstaunt, dass mit einem Mal ein evangelischer Diakon in der Haustür stand und nach der evangelischen Familie fragte.

Wenn ich auch vom Kirchenamt als Lagerbetreuer eingesetzt worden war, so forderte der Engländer die Dienstgruppe immer wieder zu Arbeitseinsätzen an. Lange Zeit waren wir mit einem Trupp in Münster in den Kasernen tätig. Hier wurde Bestandsaufnahme von den Gegenständen, die noch vorhanden waren, vorgenommen: Türgriffe, Schlösser, Fenstergriffe und Brennstellen. Alles wurde in 5facher Ausfertigung aufs Papier gebracht. Wir Deutsche sind schon pingelig, aber die Engländer waren es noch mehr. Immer wieder wurden wir trotz Schnee und Kälte auf offenen Lastwagen zur Arbeitsstelle gefahren. Später wurde ich als Vermessungsbeamter auf dem Arbeitsamt eingesetzt und hatte schriftliche Arbeiten zu erledigen. Hier kam auch der Tag, an dem man seinen Wehrmachtsführerschein zu einem privaten umschreiben lassen konnte.

An dieser Stelle soll auch der Kameraden gedacht werden, die im Lager treulich bei der Betreuung mitgeholfen haben. In der Nähe war eine ehemalige Flakstellung. In den Baracken waren viele Flüchtlinge untergebracht, die wir nicht vergessen durften. Mancher war dankbar für den Besuch, wenn wir auch nichts Essbares mitbringen konnten.

Am 28.9.1946 wurde unsere Tochter geboren. Ich bekam aber erst am 29.9. Bescheid und ging vor Freude im Wald spazieren. Einen Tag später bekam ich Kurzurlaub. Mein Erscheinen brachte bei der jungen Mutter einige Freudentränen. Die Familie war zusammen. Meine Mutter besuchte ich später in der Anstalt und erzähle ihr, dass sie Großmutter geworden sei. Sie freute sich sehr.

Am 5. Oktober 1946 musste ich schon wieder im Lager sein, konnte aber am 6.10. nach Kattenvenne fahren und das dortige Erntedankfest in der Kirche mitfeiern. Überhaupt war Kattenvenne immer mal so ein Ausweichquartier.

Meine Frau schrieb, dass am Reformationstag, der in Hamburg durch die Engländer zum gesetzlichen Feiertag erklärt worden war, Christa getauft werden solle. Natürlich holte ich mir für dieses Fest Urlaub. Im Gottesdienst wurde die Kleine getauft und anschließend gab es eine Feier mit dem, was wir an Nahrung hatten. Zum Beispiel gab es zum Kuchen Schlagsahne aus Magermilch. Bei allem waren wir aber eine frohe Gesellschaft mit den Eltern und Paten.

Eines Tages kam mir der Gedanke, Weihnachten war nicht mehr fern, die Gemeinde könnte Kameraden aus dem Lager aufnehmen und bei ihnen Weihnachten feiern lassen. Also auf zu dem katholischen Pfarrer und mit ihm über diese Möglichkeit gesprochen. Wer hätte es gedacht, man hat diesen Gedanken aufgenommen und von den Kanzeln um Aufnahme für die Weihnachtszeit gebeten und auch Gehör gefunden. Viele der Kameraden konnten so Weihnachten wieder in einer Familie feiern.

Zur Weihnachtszeit durfte ich wieder in Urlaub fahren und weil die Züge überfüllt waren, schlüpfte ich ins Bremserhäuschen und fuhr so bis Hamburg alleine mit. Zu Hause begingen wir mit der Familie ein harmonisches Weihnachtsfest. Zu ersten Mal war unsere kleine Christa dabei, viel wird sie nicht mitbekommen haben.

1947

Kurz war die Zeit zu Hause und am 2. Januar 1947 saß ich schon wieder in der Bahn, um abends im Lager zu sein. Alle 14 Tage habe ich Gottesdienst, dazwischen löst mich mein lieber, väterlicher Freund, Studienrat Schmidt, immer wieder ab. Er wurde mir vom Kirchenamt in Münster empfohlen. Als wir uns miteinander bekannt machten und über die Arbeit im Lager sprachen, war er sofort bereit, mit Hand anzulegen. Mit heißem Herzen hat er den Dienst für unseren Herrn Jesus Christus getan und unsere Freundschaft hat über seinen Tod hinaus gedauert. Von seinen Kindern wurde ich gebeten, zu seinem 90jährigen Geburtstag einen Bericht über die Arbeit im Mecklenbecker Lager zu schreiben, was ich gerne tat. In Bösensee und auf der Geist wurden Bibelstunden und Jugendstunden gehalten, die später von den Pastoren und Diakonen übernommen wurden.

Immer wieder versuchte ich auf verschiedenen Wegen zu einer Entlassung zu kommen. Wir waren oft wegen der Verpflegung in Bad Salzufflen und ich versuchte dort bei einem britischen Offizier mit meinem Anliegen durchzukommen. Zwischendurch kam mir zu Ohren, dass man im Bischofsamt in Münster über meine Person Erkundigungen eingeholt hatte, ob meine Arbeit der katholischen Kirche nicht schade. Aber ich hörte keine Beanstandungen von irgendeiner Seite.

Beim Durchblättern meines Tagebuches finde ich unter dem Datum vom 30. März 1947: „Festlicher Tag. 1. Konfirmation im Lager. Über 140 Personen im brechendvollen Saal. Studienrtat Schmidt nimmt die Einsegnung der Konfirmanden vor.“

Dann war ich erst einmal kurz auf Urlaub. In Mecklenbeck passierte etwas Eigenartiges: Am 15. April hielt ich die Bibelstunde, diesmal waren nur Frauen gekommen. Am Schluss wurde noch über einiges geklönt. Unter anderem wurden über 300 DM, die als Spende gesammelt wurden, fürs Hilfswerk abgeliefert. Dann kam das Gespräch mit einem Mal auf eine Kirche, die wir hier in Mecklenbeck haben müssten. Vielleicht schenke uns der Herr noch ein Baugrundstück.

Dies war am 15.04.1947 und jetzt ein Blick in die Zukunft: Wir schreiben inzwischen das Jahr 1966. Tag Christi Himmelfahrt. Da wird in Mecklenbeck der Grundstein für die Martin-Luther-Kirche gelegt. Am Reformationsfest 1967 ist die Kirche eingeweiht. So hat der Herr über unsere Arbeit seinen Segen ausgeschüttet.

Aber erst einmal wurde ich weiter in Mecklenbeck festgehalten. Mein Auftrag war noch nicht erfüllt, so sollte man es wohl ansehen. Es war Sonntag Morgen. Ganz früh standen zwei Männer an meinem Bett und baten mich, zu einer Frau zu gehen, um ihr zu sagen, dass ihr Mann während einer Versammlung plötzlich zusammengebrochen und gestorben sei. Ich zog mich schnell an und ging mit den beiden Männern auf den Bauernhof, wo die Familie untergebracht war. Nur mit der Kraft des Glaubens und der inneren Bitte um die rechten Worte, konnte ich der Frau die schwere Nachricht überbringen. An diesem Morgen hatte ich auch noch den Gottesdienst und anschließend den Kindergottesdienst zu halten. Am nächsten Tag war ich in Albachten bei dem katholischen Pfarrer. Es ging um einen Platz auf dem Friedhof. Früher durften keine evangelischen Leute auf einem katholischen Friedhof ein Grab haben. Aber der Pfarrer erteilt die Genehmigung und so konnte ich der Frau Harder und Studienrat Schmidt mitteilen, dass der Beerdigung nichts im Wege stand. Am 7. Mai 1947 war dann die Beerdigung und eine große Zahl von Trauernden folgte dem Sarg. Für die Gegend, die ja rein katholisch ist, war es doch etwas Besonderes, was sich vor ihren Augen abspielte.

Es galt später eine Fahrt vorzubereiten. Am Himmelfahrtstag trafen wir uns im Lager. Wir waren eine fröhliche Schar von 20 Jungen und Mädel. Es ging in Richtung Coesfeld in ein großes Heidegebiet, in dem wir uns tummelten . Um ca. 19.30 Uhr waren alle wohlbehalten wieder im Haus.

Nicht vergessen möchte ich die liebe Familie Lücke. Manches Mal waren wir bei ihnen eingeladen. Als einmal meine Urlaubszeit bevorstand, bekam ich von ihnen für unsere Familie ein Huhn in einem Käfig mit. In der Bahn hat es wohl vor lauter Angst ein Ei gelegt. Immerhin baute mein Schwiegervater im Garten einen Hühnerstall und der Grundstock für eine Hühnerfarm mit dem ersten Huhn war gelegt.

Am 7. Juli 1947 kam meine Frau ins Lager und lernte so auch die Mecklenbecker Gemeinde kennen. Wir bekamen ein Barackenzimmer, welches wir erst einmal in Ordnung bringen mussten. Wir waren bei einigen Familien eingeladen und fuhren später nach Kattenvenne und holen dort fünf Küken ab, die wir mit einer Glucke von Lückes, trotz überfüllter Züge, nach Hamburg bringen konnten. Zu Hause wurde in den nächsten Tagen im Garten gearbeitet. Es wurd Kohl und anderes Gemüse gepflanzt, denn die Familien wollen ernährt sein. Montag, den 21. Juli 1947, ging es wieder ab nach Mecklenbeck. Frau und Kind nahmen Abschied.

In einer Jugendstunde in Mecklenbeck wurde der Entwurf für unseren Wimpel gemacht und eine Mutter war so lieb, uns den anzufertigen. Auf mancher Fahrt und Freizeit war er dabei und zeigte an, wir sind die Mecklenbecker Jugend.

Der August, der letzte Monat im Lager, war mit viel Gemeindearbeit ausgefüllt. Der 29.8.1947 war ein besonderer Tag in meiner Gefangenschaft: Die Bekanntgabe unserer Entlassung. Jetzt hießt es, schnell handeln, denn das Lager und die Gemeinde durften nicht verweisen. Also ging es sofort zu Studienrat Schmidt hin und es wurde über den Fortgang der Arbeit gesprochen. Noch am 31.8.1947 machten wir mit der evangelischen Jugend von Mecklenbeck eine Fahrt in die Coesfelder Heide. Ich wurde von etlichen Gemeindemitgliedern aufgesucht, die von meiner Entlassung gehört hatten.

Im Hinblick auf den Weggang mussten noch viele Dinge geregelt werden. Ein Helferkreis kam noch zusammen, organisatorische Angelegenheiten wurden besprochen und die geldliche Seite musste zu ihrem Recht kommen. Natürlich versprach ich, die Mecklenbecker bei nächster Gelegenheit wieder zu besuchen.

Am 5.9.1947, um 8.00 Uhr, ging es vom Lager los. Wir wurden mit LKWs zum Bahnhof Münster gefahren und dann in Güterwagen verladen. Abends um 19.30 Uhr waren wir in Munsterlager und bezogen die Baracke 105. Am nächsten Tag wurden nochmals die Entlassungspapiere kontrolliert, und dann sollte es hoffentlich weitergehen. Es wurde auch noch von anderen Einsätzen geredet. Am Sonntag, um 9.00 Uhr, wurden wir auf die Lastwagen verladen und ab ging es in Richtung Hamburg. Am Berliner Tor wurden wir ausgeladen und jeder musste sehen, wie er weiter kam. Zu Hause landete ich mit meinem Holzkoffer, zum Erstaunen meiner Lieben, ganz plötzlich, verschwieg aber erst einmal meine Entlassung. Beim Kaffeetrinken kam dann die Überraschung: Ich war kein Kriegsgefangener mehr und musste nicht mehr weg. Alles jubelte.

Der nächste Tag und die darauffolgenden waren mit viel Laufereien ausgefüllt: Anmeldung bei der Polizei, zur Baumeisterstraße zum Arbeitsamt und beim Bezirksamt die Zuzugsgenehmigung geholt. Es gab viele Kleinigkeiten, die erledigt werden mussten. Die nächsten Tage gingen bei den vielen Aufträgen schnell dahin.

Fortsetzung der Diakonenausbildung im Rauhen Haus

Am 19. September 1947 meldete ich mich im zerstörten Rauhen Haus zurück. Haus Tanne war erhalten geblieben. Mit Füßinger hatte ich ein Gespräch. Zu einer Besprechung und zum ersten Unterricht sollte ich am 25.09.1947 im Rauhen Haus erscheinen. Zuerst empfingen mich in einem Zimmer im Haus Tanne Füßinger und Bruder Jahnke und kamen gleich im Gespräch auf die Nazizeit. Im Laufe des Gespräches wurde mir über das, was im Rauhen Haus vorgefallen war, eine Entschuldigung ausgesprochen. Geschichtlich war aber damit nichts zu ändern. Über der Schuld der Brüderschaft kann nur die Vergebung unseres Herrn stehen.

Mir wurde dann eröffnet, dass im Rauhen Haus kein Platz für die kommenden Brüder sei, und da ich ja in Horn wohne, morgens von zu Hause aus zum Unterricht kommen könne. Bei dieser Abmachung blieb es denn auch. Gleichzeitig wurde mir gesagt, ab 1. Oktober 1947 könnte ich als Gemeindediakon in der Martinsgemeinde Horn arbeiten und morgens bis mittags am Unterricht im Rauhen Haus teilnehmen.

Jetzt kam ein neuer Lebensabschnitt für mich: Fortsetzung meiner Ausbildung im Rauhen Haus bis zum Examen, Gemeindearbeit und die sich langsam vergrößernde Familie.

Nachdem am 1. Oktober 1947 mit Pastor Forck mein Einsatz für die Gemeinde abgesprochen war, wurde die Wirkungsstätte erst einmal angesehen. Die Kirche war im Bombenhagel vom tauben Kirchendiener gerettet worden. Eine Brandbombe, die die letzte Kirchenbank anbrannte, hatte er löschen können. Die Kirchenfenster waren alle entzwei und waren mit Drahtglas vernagelt worden. Das Gemeindehaus, das 1939 eingeweiht worden war, stellte sich mir als abgebrannte Ruine dar. Pastor Forck und die Gemeindehelferin wohnten im wiederhergestellten Salemstift, das zu Wohnungen umgestaltet worden war. Das Gemeindehaus sah trostlos aus. Alles was in den Kellerräumen nicht niet- und nagelfest war, war geräubert worden. Auch das Pfarrhaus war bis auf die Grundmauern heruntergebrannt. Später sollten uns noch die Steine und ein Eisenträger gute Dienste tun. In den Kellerräumen stand Wasser, die Betondecke hatte an vielen Stellen das Wasser durchgelassen. Beim Durchgehen wurden im großen Saal dann Pläne gemacht, wie man diese Ruine wieder für die Gemeindearbeit zugänglich machen könne. Zu dieser Zeit hatte die Post vor dem Gemeindehaus an der Straße gebaut. Zum Bauen brauchte man eine Baunummer. Die Post hatte sie und wir haben in ihrem Schatten gewirkt. Der Schutt in der Ruine musste planiert werden. Sand und Steine mussten her und was wichtig war, Hilfskräfte. Die Gemeindehelferin, Fräulein Saul, stellte ihre Jungschar zur Verfügung, andere Jugendliche wurden angeworben. Nun konnte unsere Tätigkeit losgehen. Baugeschäft Wehrlich fuhr den Sand heran und wir organisierten den Zement dazu. Es wurde eifrig planiert, Zement gemischt und der Mörtel wurde sachgemäß aufgetragen, so dass auch das Wasser durch Löcher und Rohre abfließen konnte. Natürlich musste auf den hart gewordenen Zement eine Teerschicht aufgetragen werden. Durch die Mithilfe meines Schwiegervaters, der für Brötchen und Lichtmaterial sorgte, wir legten von der Kirche eine Leitung zur Ruine herüber, konnten wir auch noch bei Dunkelheit arbeiten.

Im Oktober kam Karl Görlich, der sich bei uns im Haus erst einmal bekannt machte, und eine Bleibe suchte. Bei Familie Kepper in der Gartenkolonie Hornerweg, fand er ein winziges Zimmer. Jetzt hatten wir noch eine Hilfe mehr, aber handwerklich musste der Karl noch viel dazu lernen, denn er war Berliner Bankkaufmann. Er war nach seiner Ausbildung als Diakon, noch vor dem Krieg als Gemeindediakon eingestellt worden.

Nun, die Kellerräume waren erst einmal wasserdicht und bald konnten wir mit den Jugendstunden beginnen. Aber erst musste der Karl mit seiner Frau eine Bleibe haben. Die hinteren Räume vor dem Saal im Keller, waren für ihn vorgesehen. Vorher galt es, in der Ruine des zerstörten Pastorats Steine zu brechen und diese heranzukarren. Das war für den Karl ein schweres Stück Arbeit, aber unverdrossen wurde geschuftet. Am Haupteingang, Treppe hoch und gerade aus und rechts waren die ehemaligen Garderobenräume. Dann führte eine Treppe in die Kellerräume. Dieser Gang musste unbedingt überdacht werden, um überhaupt trockenen Fußes in die unteren Räume zu gelangen. Also mussten Holz und Balken her. Durch allerlei Verbindungen gelang es, das Material noch für Reichs-Mark zu bekommen. Die Überdachung wurde geschafft und mein Onkel Fritz Frieß lieferte die Dachpappe. Wie gut, dass wir in der Verwandtschaft einen Klempner mit einem gutgehenden Geschäft hatten. Am Haupteingang fehlte die Tür. In der Kirche war eine zuviel, die wir dann abmontierten und im Gemeindehaus neu einsetzten. Der Gang zum Saal wurde zugemauert. Sogar ein Fenster konnten wir einsetzen, so kam Licht in den Hauptflur. Durch das Dach wurde der Regen abgehalten und der Keller hatte keine Fußspülung mehr.

In der Zeit unseres Ausbauens ging ich brav zum Unterricht ins Rauhe Haus. Natürlich durfte die Familie nicht zu kurz kommen, aber mein Frauchen half bei all diesem Hin und Her tapfer mit.

Eines Tages musste noch im Flur eine Wand gezogen werden und Karl und ich waren eifrig dabei, sie zu vollenden, das heißt, bis zur Decke hochzuziehen. Es begann zu regnen. Der Regen kam von der Seite und benässte die Mauer. Diese war kurz vorm Umfallen, als ich Karl bat, sie zu halten, damit sie nicht zusammenkrachte. Unser lieber Karl hielt sie dann über eine Stunde treulich fest. Hier hätten wir eine Gedenktafel hinhaben müssen: "Für treues Aushalten".

Zwischendurch bekam ich auch Hausaufgaben für den Unterricht mit. Ich saß abends noch in der Küche der Eltern und mache Schularbeiten. Im Rauhen Haus musste ich eine Predigt halten, die dann kritisiert wurde. Hätte im Text zentraler sein müssen, nächstes Mal. Pastor Donndorf legte uns bei einer biblischen Darlegung von Moses Bitte, Gott zu sehen, diesen Text aus und haute mächtig daneben. Wir waren mit dieser Auslegung nicht zufrieden und haben tüchtig Kritik geübt.

Bei unserer Arbeit setzte Karl längere Zeit wegen Krankheit aus. Zum Glück hatten wir im Rauhen Haus Ferien und dadurch war ich den ganzen Tag für die Gemeinde da.

Das Weihnachtsfest stand vor der Tür. Zum Lobe der Verantwortlichen darf man sagen, trotz Not und Trümmer ging die Gemeindearbeit in der Kirche weiter und Gottesdienste fielen kaum aus. Zu Weihnachten hatten wir auch einen Christbaum, wenn auch nur einen kleinen im Verhältnis zu früher. Wir aber halfen uns, nahmen eine ausgediente Teertonne, verkleideten sie und stellten den Christbaum darauf. In der Familie konnte ich nun als freier Mann, zum ersten Mal ohne Krieg, das schöne Fest begehen.

1948

Nach einer Unterrichtspause von einigen Tagen begann das Jahr 1948 mit den besten Wünschen und Segensgrüßen. Am 5. Januar 1948 wurd im Rauhen Haus der Unterricht wieder aufgenommen. Mit der Zeit ging es hart ran, denn im März sollte das Diakonenexamen stattfinden. Jetzt saß ich oft abends bis spät in die Nacht hinein in der Küche der Eltern und büffele.

Im Januar gelang es, dass Karl mit Ehefrau ins Gemeindehaus einziehen konnte. Möbel wurden bei Bekannten und Verwandten zusammengeholt und zwei Zimmer damit ausgerüstet. Vorher gelang es, unseren ehemaligen Tischler Bruns zu gewinnen, um ein paar neue Fenster für die Gemeinde herzustellen und einzusetzen.

Oft wurden auch bei uns in der Horner Landstraße 439 II wegen Mangel an Räumen in der Gemeinde die Kirchenvorstandsitzungen abgehalten. Mein Schwiegervater war Mitglied im Vorstand und so konnte die Sitzung in der großen Stube durchgeführt werden. In einer dieser Sitzungen wurde Pastor Niemann aus Horn zum Jugendpastor gewählt.

Mit Pastor Forck verhandelten wir über die Belegung der Räume, die bald gebrauchsfertig werden sollten. Bevor alles in Gebrauch genommen werden konnte, mussten noch allerlei Dinge bedacht werden. Es gab keine Toilette und kein Licht. Auch Türen fehlten und die Decken und die Wände sahen verdreckt aus, also auch der Maler musste her. Nun, eines kam zum anderen. Erst wurde in der damaligen Toilette wieder ein Klobecken aufgestellt, die Anschlüsse wurden frei gelegt, auch das Wasser kam dazu. So hatten Görlichs bald wieder Wasser in der ehemaligen Küche, die ja auch als Schlafzimmer diente. Auch ein Malermeister fand sich, der uns den Keller mit einer gelblichen Farbe anpinselte. Jetzt musste noch das elektrische Licht installiert werden. Ein Zähler war schon da, und so konnten wir hinter der Sicherung die Leitungen spannen. Ja, wir mussten sie spannen, denn Rohre hatten wir nicht, also wurde der Draht auf Isolatoren verlegt. Aber woher die Schalter nehmen? In ganz Hamburg gab es keine. Frau Lydia Görlich kam auf den richtigen Gedanken. Weil sie nämlich aus Schalksmühle stammte, wusste sie, da gab es kleine Betriebe, die elektrische Sachen herstellen, also auch Schalter. Sie besorgte uns diese notwendigen Sachen und so konnten dann eines Tages die Kellerräume im elektrischen Licht erstrahlen. Pastor Forck besorgte immer wieder Geld, damit wir auch weiter bauen konnten!

Am 15. März 1948 war vom Rauhen Haus der Tag des Examens festgelegt und von Januar bis März war eine Zeit, in der es Tage gab, an denen wir (es gab noch einen Bruder Zielasek, der die Prüfung mitmachen sollte) bis tief in die Nacht hinein unsere Aufgaben machten. Es sollte in vielen Fächern geprüft werden. Da war Altes Testament, Neues Testament, Dogmatik, Religion, Kirchengeschichte, Innere Mission, Diakonie, Geschichte der evangelischen Jugend, Wohlfahrtsgeschichte, Buchführung und Schreibmaschinenschreiben. Über all den vielen Fächern hat uns oft der Kopf gebrummt. Pastor Donndorf, der Vorsteher des Rauhen Hauses, sagte immer, es wird nicht so schlimm werden. Dann kam der 15. März und wir wurden im Haus Tanne ins Prüfungszimmer geführt, wo an einem langen Tisch die Dozenten saßen, die uns prüfen sollten. Wer war dabei? In Erinnerung habe ich noch Donndorf, Schade, Hennig, Kreye, Füßinger, Jahnke, Germann, Wölber und den Bischof Schöffel. Einen Tag vorher haben wir verschiedene Arbeiten geschrieben. Eines weiß ich noch, jeder Einzelne musste nach vorne dem Dozenten gegenüber auf einen Stuhl, der zu prüfen hatte. Bei dem Stoff Neues Testament, hatte uns Pastor Schade gesagt, er wolle bestimmte Kapitel abfragen, auf die wir uns natürlich eingestellt hatten. Nun war er daran, uns zu prüfen und war so nervös, dass er etwas ganz anderes abfragte und mich damit durcheinander brachte. Nur mit etwas Haltung ging glücklicherweise diese Panne noch glimpflich vorüber. Später gab es nach dem bestandenen Examen eine kleine Feier. Viel konnte das zerbombte Rauhe Haus nicht locker machen. Wir aber waren froh, jetzt ordentliche, mit der Ausbildung fertige Diakone zu sein.

Die volle Aufnahme in die Brüderschaft sollte erst später geschehen. Offiziell wurde ich nun zum 1. April 1948 in die Martinsgemeinde Horn entsandt. Damals wurden die Brüder noch von der Leitung des Rauhen Hauses in die Arbeit gesendet. Horst Zielasek und ich waren die ersten Diakone, die nach dem Krieg wieder aus dem Rauhen Haus hervorgingen.

In unserer Familie war nun eitle Freude, aus einem Diakonschüler war nun ein anerkannter Diakon geworden.


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