Mit dem Hamburger Seniorenkreis der RauhäuslerBrüder- und Schwesternschaft weilten wir vom 7. bis 16. Oktober 2001 mit 35 Teilnehmern zu einer Studienreise im Zentrum des Paul-Gerhardt-Dreiecks zwischen Lutherstadt Wittenberg, Berlin und Lübben, nämlich im brandenburgischen Luckenwalde südlich von Berlin, wo in dem gepflegten Hotel Märkischer Hof Unterkunft, Frühstück und Abendessen geboten wurden. Von der durch viele nach der Wende stillgelegte Fabriken und Produktionsstätten und wegen Wegzugs großer Bevölkerungsteile leerstehende Wohnhäuser gekennzeichneten, nicht gerade reizvollen früheren Fabrik- und Arbeiterstadt sahen wir nicht viel, da wir täglich „auf Achse“ waren.
Paul Gerhardt
Der bekannte Liederdichter
Paul Gerhardt, * 1607, + 1676,
studierte und wirkte in Wittenberg, bevor er ein Pfarramt in Mittenwalde, dann in Berlin an St.Nikolai und später in Lübben übernahm.
1607 in Gräfenheinichen (Sachsen) geboren.
Studium der Theologie in Wittenberg.
Hauslehrer in Berlin.
1651 Propst in Mittenwalde (Mark Brandenburg)
1657 Pfarrer an St. Nikolai in Berlin. 1667 seines Amtes enthoben, weil er aus Gewissensgründen als überzeugter Lutheraner dem Toleranzedikt des reformierten Großen Kurfürsten nicht zustimmen konnte.
1669 Archidiakonus in Lübben (Spreewald). Dort 1676 im Alter von 69 Jahren gestorben.
Paul Gerhardts Dichtkunst ist durchgefeilt und perfekt. Seine 134 Lieder zeichnen sich durch sprachliche Schönheit und Natürlichkeit aus; auf dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges spiegeln sie persönliches Gottvertrauen und christliche Heilserfahrung. Vor allem Johann Crüger, Kantor an Nikolai, wo Paul Gerhardt sieben Jahre als Pfarrer wirkte und Lehrer am Grauen Kloster in Berlin, vertonte und veröffentlichten seine Gedichte. Crügers „Praxis pietatis melica“ wurde mit 44 Auflagen das führende Gesangbuch des 17. Jahrhunderts. Auch Crügers Nachfolger an St. Nikolai in Berlin, Johann Georg Ebeling vertonte etliche Texte Paul Gerhardts. Gerhardt gilt als der bedeutendste und bekannteste Kirchenliederdichter nach Luther. Seine, die Volksfrömmigkeit weiter Schichten und vieler Generationen der deutschen Bevölkerung prägenden Liedtexte machen Paul Gerhardt zu einem bedeutenden Vertreter deutschsprachiger Poesie.
Der Vorbereitungskreis unter Federführung von Ulf Porrmann hatte zusammen mit einem örtlichen Reisebüro ein Programm entwickelt, das tägliche informative gemeinsame Ausflüge vorsah. Das sonnig-goldene Oktoberwetter verschönte diese Exkursionen ganz besonders. Bereits während der täglichen Busfahrten durch die sandigen brandenburgischen Kiefernwälder und vorbei an großflächigen landwirtschaftlichen Schlägen zum jeweiligen Tagesziel informierten uns einheimische Reisebegleiter über Landschaft und lokale Geschichte.
Eine erholsame Kahnfahrt von Lübbenau aus auf der Spree und deren Nebenfließen im oberen Spreewald erschloss uns diese in Deutschland einmalige Landschaft.
Ein weiterer Tag gehörte Potsdam und der Preußen-Tradition mit dem Besuch einer informativen Ausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte.
Anschließend bereicherte eine Führung durch das zwischen 1745 bis 1747 im Auftrage des Königs Friedrich II. von Preußen von Knobelsdoff erbauten Schloss Sanssouci den Rückblick auf Preußen. Dieses Hauptwerk deutscher Rokokoarchitektur, das ich bisher nur von außen kannte, beeindruckte uns durchaus.
Ein Gang durch die herbstlichen sonnendurchfluteten Gärten der Potsdamer Schlösser vorbei am goldglänzenden chinesischen Pavillon bis zum Neuen Palais schloss sich an.
Hamburger Seniorenkreis der RauhäuslerBrüder- und Schwesternschaft
Auch zwei (für einige Teilnehmer sogar drei) Tagesreisen nach Berlin waren wieder stark von der preußischen und reichsdeutschen Geschichte und von der akuten Hauptstadtsituation geprägt.
Eine kompetente Führung durch den noch zu DDR-Zeiten neu aufgebauten Berliner Dom, einem der letzten Monumente des konstantinischen Zeitalters, und durch die Hohenzollerngruft in der Krypta des Doms mit 94 Sarkophagen aus fünf Jahrhunderten brandenburgisch-preußischer Geschichte ließ die Kaiserzeit wieder vor unsere Augen treten.
Ein anschließender Besuch des Pergamonmuseums mit dem monumentalen, dem Zeus und der Athena geweihten hellenistischen Altar von Pergamon (der heutigen westanatolischen Stadt Bergama) und dem römischen Markttor der kleinasiatischen Stadt Milet, der Prozessionsstraße und dem Ischtar-Tor von Babylon mit der Thronsaalfassade des Königs Nebukadnezar II, sowie islamischer Kunst aus der jordanischen Wüstenfestung Mschatta hätte erheblich mehr Zeit benötigt, um alle dort gebotenen historischen Schätze früher Kulturen genügend würdigen zu können. Ich hatte dieses Museum bereits in den 60er Jahren kennen gelernt und fand die Auffrischung nach drei Jahrzehnten sehr beeindruckend.
Der zweite Tag in Berlin war nach einer Stadtrundfahrt einem Besuch im Reichstag mit einem informativen Vortrag im Plenarsaal gewidmet. Der Blick von der Reichstagskuppel über das neue Regierungsviertel und die Hauptstadt gestaltete sich bei dem herrlichen Sonnenwetter besonders eindrucksvoll. Eine Schiffsfahrt auf dem Spreebogen vermittelte wieder eine ganz neue Perspektive. Die Mittagspause im Umfeld der säkularisierten Nikolaikirche, Paul Gerhardts Predigtstätte von 1657 bis 1667, und Wirkungsstätte der Paul-Gerhardt-Kantoren-Komponisten Johann Crüger und Johann Georg Ebeling im Herzen Berlins war wieder ein Sonnenleuchten.
Einen weiteren Höhepunkt bildete der Besuch in der Lutherstadt Wittenberg, wo engagierte Führungen in der Schloss- und in der Stadtkirche nicht nur an die Persönlichkeiten der Reformation erinnerten: Martin Luther, „Herr“ Käthe (Katharina von Bora), Philipp Melanchthon, Johann Bugenhagen, Reformatoren-Maler Lucas Cranach d.Ä., sondern auch die Erinnerung an Johann Hinrich Wichern und seine Stegreifrede von 1848 in der Schlosskirche wieder wach wurde, zumal sein in der Kirche hängendes Bildnis darauf hinweist.
Hier in Wittenberg hatte während des Dreißigjährigen Krieges auch Paul Gerhardt Theologie und die „Technik“ seiner hohen Dichtkunst studiert.
Weitere Exkursionen führten uns in die Wörlitzer Parkanlagen, nach Kloster Zinna, Jüterbog, wo wir in der Nikolaikirche den Tetzelkasten sehen konnten, in eine kleine handwerkliche Zinngießerei in Neuhof und in die von Preußens Baumeister Karl Friedrich Schinkel entworfene Kirche in Straupitz (dort nahmen wir am Sonntagsgottesdienst teil).
Weiter führte der Weg zur Paul-Gerhardt-Kirche in Lübben, vor der obiges Standbild des bekannten evangelischen Liederdichters an diesen nicht unbedeutenden deutschen Lyriker erinnert, der mit seinen 134 schönen, zu Herzen gehenden und durchgefeilten Liedertexten Generationen von evangelischen Menschen getröstet und erbaut hat, und am selben Tage in das Park-Schloss Branitz des Lebemannes Hermann Fürst Pückler-Muskau bei Cottbus.
Wir besuchten die Reste des früheren Zisterzienserklosters Zinna und ein Webereimuseum des früheren Weberstädtchens Kloster Zinna
Herrliche alte Fresken zieren einige Wände und Decken in den erhaltenen Klosteräumen in Zinna.
Jeden Morgen gestaltete eine(r) der Teilnehmer(innen) eine Andacht. Am letzten Abend erquickte und erheiterte uns ein von etlichen Mitreisenden gestaltetes buntes Programm.
Während der Rückreise gab uns der aus der Mark Brandenburg stammende Busfahrer noch interessante Einblicke in Teile seiner Heimat, da wir nur streckenweise die Autobahn benutzten und den Weg über Kyritz, Perleberg, Wittenberge, Dömitz, Dannenberg und Lüneburg nahmen. In Mödlich am östlichen Elbdeich hielt uns der Ortspfarrer nach der letzten gemeinsamen Mahlzeit in einer kleinen Kirche unsere Schlussandacht.
Diese Internetseite wurde vom früheren langjährigen Geschäftsführer und Heimleiter des Seemannsheimes erstellt, der hier sein Rentner-Hobby vorstellt: